Donnerstag, 29. Januar 2015

Einblicke ins sevillanische Nachtleben

Meine Partie hier in Sevilla geht offiziell in die Verlängerung. Hab nun beschlossen, doch nicht nur bis Ende Januar, sondern auch noch die erste Februarwoche zu bleiben. Wie kam es zu der Entscheidung? Nun, ich habe wirklich Lust, in dieser absolut lebens- und liebenswerten Stadt noch ein paar mehr Tage zu verbringen. Zumal ich die letzten Tage mit einer fiesen Erkältung im Bett lag und daher meine Aktivitäten etwas zurückgeschraubt habe.

Und auch mit meinem Team im Hostel fühle ich mich mittlerweile echt wohl. Zwar sind meine lieb gewonnenen Kolleginnen Adrienne und Hadley seit über einer Woche wieder abgereist. Aber dafür haben wir seit ein paar Tagen Verstärkung von zwei neuen, jungen Mädels aus den USA bekommen. Da Chloe und Kelsey erst Anfang 20 sind, bin ich überzeugt, dass sie das spanische Nachtleben gut verkraften werden.

Aktueller Job: "Spaßverantwortliche"

Und das hoffe ich auch, denn seit die beiden anderen Mädels weg sind, habe ich in Sachen Abendprogrammgestaltung den Hut auf. Heißt also, dass ich fast jeden Abend mit den Gästen nach Mitternacht in der Stadt unterwegs bin. Denn ab dieser Zeit ist in unserem Hostel offiziell "Quiet Hour" angesagt und da sich unser Aufenthaltsraum im Innenhof befindet, an den alle Zimmer des gesamten Hostels anschließen, heißt das: Entweder wir ziehen um in einen kleineren Gemeinschaftsraum. 

Da darin aber nur an die zwölf Leute Platz finden und wir die letzte Woche immer meist doppelt so viele waren, kommt meist Option 2 ins Spiel: Ab geht's ins spanische Nachtleben. Netterweise lassen mich meine Kollegen in der Regel nie im Stich. Gerade mit Chung und Matteo beratschlage ich mich gerne, was wir unternehmen und sie sind eigentlich immer dabei und helfen mir, die Truppe unterwegs zusammen sowie bei Laune zu halten :-)

Kunterbuntes Abendprogramm

Damit nicht nur unsere Gäste, sondern auch wir nach all den Wochen immer wieder Freude am Weggehen haben, haben wir mittlerweile eigentlich ein ganz nettes Abendprogramm zusammengestellt. Je nachdem in welcher Stimmung wir alle sind, ziehen wir zunächst in eine oder mehrere der nahe gelegenen Bars an der Plaza Alfalfa oder Alameda de Hércules. Am Wochenende geht's dann ab 2 Uhr weiter in einen der zahlreichen Clubs. Unsere Stamm- und Startdisco heißt "Tokyo". Dort läuft in der Regel ein bunter Mix aus R'n'B/HipHop und Latin Dance Music - ganz nach meinem Geschmack :-) Und auch der eher alternativ angehauchte "Funclub" mit Rock/Indie-Musik gehört mittlerweile zu meinen Lieblingsclubs, hier machen wir meist gegen später (bzw. "früher" - je nachdem wie man's uhrzeittechnisch nimmt ;-)) noch einen Abstecher hin.

Doch auch unter der Woche kann man in Sevilla immer irgendwas unternehmen. So waren wir gestern beispielsweise in einem Künstlercafé bei einem echt tollen Jazz/Swing-Konzert und am Tag zuvor stand der Besuch einer Flamenco-Show auf dem Programm. Wenn die Stimmung besonders ausgelassen ist, gibt es in der Nähe auch eine Karaoke-Bar, wo wir schon zwei richtig witzige Nächte verbracht haben. Oder an einem verregneten Sonntagabend habe ich auch einfach mal einen Kinobesuch organisiert. Was eigentlich immer geht und ein echter "Geheimtipp" ist: Die "Bicicleteria", eine ehemalige Fahrradwerkstatt, die ein paar Argentinier in eine mehr oder weniger legale Bar umfunktioniert haben, die man nur an einem Fahrrad auf dem Hausdach erkennt. Da sie nämlich keine offizielle Ausschankgenehmigung haben, muss man vor Eintritt klingeln. Und erst wenn sich der Besitzer per Guckloch überzeugt hat, dass nicht die Polizei auf der Matte steht, erhält man Einlass in diese sehr kreativ eingerichtete, aber auch leider ausnahmsweise verrauchte Kneipe.

Lektionen aus dem sevillanischen Nachtleben 

Es mag lustig klingen, aber auch bei meiner aktuellen Aufgabe lerne ich immer noch was dazu. Nicht nur, dass ich jeden Abend mein Gedächtnis aufgrund der vielen Namen, Herkunftsländer und Reisepläne der Gäste trainiere. Auch mein Orientierungssinn wird immer besser, je mehr ich unsere Gruppe nachts durch Sevillas verwinkelter Gässchen führe. Zu den Kernkompetenzen gehören zudem etwas Charme und Verhandlungsgeschick. Das ist durchaus nützlich, um bei den Barbesitzern freundlich auf spanisch eine Runde "Chupitos" für alle (das sind die spanischen Schnäpsle) rauszuhandeln. Auch die Kontaktpflege zu den Türstehern ist nicht zu vergessen. So informiere ich beispielsweise immer Abdul - unseren "Kontaktmann" im Club Tokyo - kurz vor unserer Ankunft per WhatsApp, so dass wir weder Schlange stehen, noch Eintritt bezahlen müssen und obendrein alle meist noch ein Freigetränk spendiert bekommen :-) 

Zudem recherchiere ich immer wieder auch nach neuen Ausgeh-Möglichkeiten, beispielsweise wenn unsere Gäste mal gerne Abends eine Salsa-Bar besuchen würden. Dazu gehört auch ein bisschen "Location-Scouting" - so hab ich mir mal neulich mittags eine größere Disco angeschaut, mich vorgestellt und nachgefragt, ob wir als größere Gruppe ein paar Vergünstigungen bekommen könnten.

Mein Ausgleich zum Trubel

Was sich wirklich etabliert hat und mir richtig gut tut ist mein Start in den Tag mit der morgendlichen Meditation auf der Dachterrasse. Bis auf zwei Tage war auch immer jemand mit dabei und ich merke, dass die Menschen doch auch sehr interessiert an Entspannungstechniken und einem Ausgleich zum Party- und Sightseeing-Marathon sind. Meinem spanischen Zimmernachbarn habe ich zudem heute noch auf Wunsch in die Progressive Muskelentspannung eingewiesen und dabei praktischerweise noch meine Anleitung auf Spanisch üben können.

Die letzten Tage habe ich überhaupt viel Zeit auf der Dachterrasse verbracht, neue Energie nach meiner Erkältung getankt, eine spanische Lektüre begonnen und viel mit meinen Kollegen geredet. Von Matteo bekomme ich zudem noch meine erste Gitarre-Lektionen, so dass ich nun immerhin schon drei der wichtigsten Akkorde spielen kann :-)

Ausflug in den Wilden Westen

Ein besonderes Highlight war für mich zudem letzten Donnerstag ein Ausflug mit Antonio (den ich noch vom Jakobsweg kenne und der auch in Sevilla wohnt) nach El Rocio. Das ist eine bekannte Wallfahrt-Stadt am Rande des großen Nationalpark Coto de Doñana, rund eine Stunde südlich von Sevilla. 

Dort angekommen, habe ich mich wirklich in die Zeit des "Wilden Westens" zurückversetzt gefühlt. Denn innerhalb der Stadt gibt es keine Asphaltstraßen, überall ist nur Sand aufgeschüttet. Das liegt daran, dass die Stadt komplett pferdeverrückt ist und so gut wie jeder statt mit dem Auto mit seinem Pferd durch die Gegend reitet, um Freunde zu besuchen. Für mich als allgemeine Tierliebhaberin natürlich ein Paradies :-)

Das alles führt soweit, dass sogar einige Bars "pferdefreundlich" ausgelegt sind. Das heißt die Tresen sind so hoch gebaut, dass man auf seinem Pferd bzw. auf der Kutsche sitzend bequem sein Bier auf den Stehtischen abstellen oder ein paar Tapas essen kann. 

Soviel zu meinem Ausflugstipp rund um Sevilla, vielleicht schreibe ich in den nächsten Tagen nochmal einen kleinen City-Guide mit Tipps und Tricks für all diejenigen unter euch, die Lust bekommen haben, dieser genialen Stadt auch demnächst mal einen Besuch abzustatten.



Donnerstag, 15. Januar 2015

Zurück mit etwas Startschwierigkeiten

Ich bin wieder in Spanien angekommen. Aber dieses Mal habe ich mich mit dem Eingewöhnen echt etwas schwerer getan. Erstens lag es vielleicht daran, dass ich mich nach den zwei Wochen "Heimaturlaub" schon fast wieder in meinen Alltag zuhause eingelebt hatte und das Abschiednehmen nach so kurzer Zeit dann doch auch wieder komisch war. Zum zweiten habe ich mir kurz vor Silvester noch eine dicke Erkältung eingefangen, so dass ich immer noch total schlapp hier in Sevilla ankam. Und drittens kam mit meiner neuen Station leider alles etwas anders als geplant.

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt
Als ich am 4. Januar abends ziemlich k.o. nach der langen Reise in meinem Hostel ankam, war ich zunächst total begeistert: Ich wurde sehr nett von Chung und Erik, den beiden anderen freiwilligen Helfern aus Malaysia und Uruguay, empfangen, bekam sogar ein eigenes 6-Bett-Zimmer für mich alleine zugeteilt und war vom Flair unseres kleinen, gemütlichen Hostels im typisch andalusischen Style sehr angetan.
Ein wenig später kam dann der Hostelmanager Martin dazu, der leider alles andere als gute Nachrichten hatte. Aufgrund eines Besitzerwechsels war er gezwungen, das Hostel kurzfristig innerhalb einer Woche (bis letzten Freitag) zu schließen. Das kam für mich dann doch sehr überraschend und ich war erst mal etwas ernüchtert. Zwar hatte er sich netterweise, um eine alternative Beschäftigung für uns Freiwilligen bemüht - aber irgendwie war ich eben gedanklich schon so auf dieses Hostel und die damit verbundenen Aufgaben (7 Stunden Rezeption an 4 Tagen die Woche, die restlichen 3 Tage frei) eingestellt, dass mir das Umgewöhnen erst mal schwer fiel.

Von der Social Media Managerin zur "Socialiserin" 
Meine neuen Aufgaben bestehen zum einen darin, Chung abends ab 20 Uhr beim Kochen bzw. Sangria zubereiten zu unterstützen. Denn mein neues Hostel gehört zu den drei beliebtesten Hostels in Sevilla und legt sehr viel Wert auf eine gemeinschaftliche Atmosphäre, sodass jeden Abend im Wechsel entweder das Abendessen oder eine Runde Sangria inklusive ist. Meine Hauptaufgabe aber besteht im sogenannten "Socialising". Heißt: Smalltalk mit den Gästen führen bzw. ihnen bei Fragen (z.B. Tipps für Sightseeing oder die Weiterreise) weiterhelfen, täglich nach dem gemeinsamen Essen in der Halle die Atmosphäre durch diverse Spiele aufrecht zu erhalten und je nach allgemeiner Stimmungslage die Hostelgäste noch mit auf Touren durch Bars oder Discos zu nehmen.

Hört sich prinzipiell nach jeder Menge Spaß an und ist es sicherlich auch an vielen Tagen. Habe zum Beispiel schon viele neue Kartenspiele sowie coole Ausgehmöglichkeiten kennengelernt und schon viel über andere Länder und Kulturen erfahren. Aber grade am Anfang, als ich noch nicht so fit war, hatte ich doch ziemliche Bedenken: Habe ich wirklich jeden Abend Lust auf Geselligkeit und Partystimmung? Denn auch wenn ich von mir grundsätzlich behaupten würde, dass ich aufgeschlossen bin und gut auf Menschen zugehen kann, so habe ich doch auch gemerkt, dass ich noch mehr als früher immer wieder Zeit für mich selbst brauche und mich zwischendurch auch einfach mal zurückziehen möchte.

Neue Lektion im "Veränderungen annehmen"

So habe ich mich die letzte Woche ständig hin- und hergerissen gefühlt: Will ich hier wirklich bleiben? Fühle ich mich mit meinem neuen Aufgaben und der Umgebung wohl? Und kann ich mir vorstellen, jeden Tag eine Art Animateurin zu sein, auch wenn ich mich mal nicht danach fühle? Von den Rahmenbedingungen her bin ich soweit zufrieden: Wir sind momentan insgesamt acht Freiwillige aus vielen unterschiedlichen Ländern und wachsen als Team auch immer mehr zusammen. Zwar habe ich nicht mehr den Komfort mit einem Zimmer für mich alleine habe. Aber ich teile mir ein Vierbett-Zimmer mit zwei sehr netten Mädels (Adrianne und Hadley) aus den USA und einem Spanier (Hérman). Außerdem liegt das Hostel sehr zentral, es ist sehr sauber und hat eine tolle Dachterrasse und eine angenehme Atmosphäre. Auch die beiden Hostelmanager sind nett, flexibel und auch aufgeschlossen neuen Ideen gegenüber.

Also habe ich jetzt einfach beschlossen, mich auf die veränderten Bedingungen einzulassen, die neue Situation so anzunehmen wie sie ist (wieder eine neue Lektion :)) und aus meinem Aufenthalt hier das Beste zu machen. Seither habe ich auch viel mehr Spaß an den gemeinsamen Aktivitäten. So haben wir die letzten Tage beispielsweise die Schlossanlage "Alcazár" und die Stierkampfarena besichtigt, ein Picknick am Fluss gemacht oder Pancakes zum Frühstück gebacken. Und zwischendurch gönne ich mir einfach immer wieder etwas Zeit für mich alleine. Dann zieht es mich meist in die etwas ruhigeren Ecken der Stadt, zum Beispiel in die kleinen Gässchen mit den schönen, alternativen Lädchen, in den Park Maria Louisa oder an den Fluss, wo ich gerne lese oder meditiere.

Mit Meditation in den Tag starten

Mit der Meditation habe ich hier übrigens auch noch ein paar andere angefixt, die von meinen Erzählungen neugierig wurden. So habe ich beschlossen, unter der Woche jeden Morgen um 11 Uhr eine halbe Stunde gemeinsames Meditieren und Stretching auf unserer Dachterrasse für alle Interessierten anzubieten. Das ist für mich die perfekte Gelegenheit, meine Anleitungen auch gleich auf Englisch (und im nächsten Schritt auch auf Spanisch) zu übersetzen und am Ball zu bleiben. Außerdem gibt das meinem freien Tag gleich etwas Struktur und ich penn nicht bis in die Puppen - da kommt man mit dem spanischen Nachtleben (das hier frühestens ab Mitternacht startet) nämlich gerne in Versuchung. Dann lieber nochmal eine kleine Siesta am Spätnachmittag ;-)

Königliche Festivitäten hautnah miterleben

Neben dem intensiven Nachtleben habe ich hier in Sevilla aber auch schon ein paar kulturelle Eindrücke mitgenommen. So konnte ich gleich zu Beginn ein bisschen in die Festivitäten einzutauchen, die die Spanier rund um die Heiligen Drei Könige veranstalten. Am 5. und 6. Januar fanden hier in Sevilla zum Beispiel zwei riesige Umzüge ("La Cabalgata de Reyes") statt, mit vielen bunten, Karamellen werfenden Festwägen, wie wir sie hauptsächlich von Karneval kennen. Außerdem hat mir ein sehr netter Konditor ein Stück vom "Roscon de Reyes" spendiert - einem pappsüßen, mit Creme gefüllten Hefeteigkuchen. Pro Dreikönigskuchen ist in die Creme eine kleine Figur aus Porzellan eingearbeitet und derjenige, der sie findet hat wohl das ganze Jahr Glück. In meinem Tortenstück war leider keine Figur, netterweise habe ich aber von dem netten Konditor trotzdem obendrauf noch eine Figur dazu bekommen :-)

Wie geht's weiter?

Das nächste große Ereignis ist dann hier in Sevilla dann übrigens die "Semana Santa" - die Osterwoche Anfang April. Diese wird auch gleichzeitig der Abschluss meiner Reise sein - für alle die es noch nicht wissen: Ich habe meinen Spanienaufenthalt etwas verlängert und werde dann am 8. April wieder zurück in Deutschland sein. Was bis dahin passiert lasse ich gerade noch auf mich zukommen. Fest steht: Ich bleibe jetzt erst mal bis Ende Januar hier in Sevilla. Dann werde ich in den nächsten Tagen langsam nach neuen Projekten auf workaway Ausschau halten. Außerdem kommen mich Tobi und meine Mama jeweils ein paar Tage im Februar und im März besuchen. Und ganz sicher werde ich auch nochmal bei Cleo und ihren Katzen vorbeischauen. Schließlich will ich auch wissen, was mein zukünftiges Adoptivkind Tyson so treibt :-)
Ich lasse jetzt die kommenden Wochen einfach mal auf mich zukommen, sehe was sich entwickelt und genieße es einfach, so flexibel sein zu können. Vamos a ver que pasa - mal sehen, was sich entwickelt :-)