Freitag, 27. März 2015

Viele Wiedersehen und Städte-Trips

Die letzten Wochen sind zum einen wie im Flug vergangen, zum anderen wars mir auch einfach nicht so zum Schreiben zumute. Bitte habt Verständnis dafür, wenn ich hier im öffentlichen Blog nicht näher auf die Gründe eingehe. Wer ehrlich interessiert ist, mit dem spreche ich gerne persönlich. Ich habe für mich jedenfalls im letzten Monat etwas Rückzugszeit gebraucht, zum Nachdenken und in mich Reinspüren. Auch ein Grund dafür, warum ich meine Zeit fast ausschließlich mit Menschen und an Orten verbracht habe, die mir bereits vertraut waren. So konnte ich ohne große Anstrengung hinsichtlich einarbeiten oder umgewöhnen einfach so sein, wie ich bin. Und das tat echt gut!

Zurück in der Katzen-(Fan)-Auffangstation

So wie bei Cleo, die eben nicht nur eine Auffangstation für herumstreunende Katzen, sondern auch für herumreisende Tierfans wie mich betreibt :-) Wieder zurück in Estepona zu sein, hat sich ein bisschen wie "nach Hause kommen" angefühlt. Und die Arbeit mit den Tieren hat mich total erfüllt. Auch wenn es natürlich jeden Vormittag ordentlich was zu putzen gab. Aber alles macht einfach doppelt so viel Spaß, wenn man freudig schnurrende Motivationstrainer an seiner Seite hat.

Ein unzertrennliches Doppelpack

So wie meinen kleinen Tyson. Ich hatte echt das Gefühl, dass er mich wiedererkannt hat und er hat mich die ersten Tage ständig bei allen Arbeiten im und ums Katzenhaus begleitet. Bei ihm hat man witzigerweise immer das Gefühl, dass er "mit anpacken" oder zumindest wissen möchte, was genau es zu tun gibt. Da ist Pumi genau das Gegenteil: Einmal morgens rausgelassen, flitzt er wie wild durch den Garten und vergisst dabei die Welt um sich herum. Sobald der kleine Abenteurer mittags aber erschöpft in seinem Körbchen liegt, mutiert er zum absoluten Schmusetiger. Dann hängt er wohlig schnurrend auf meinem Arm und will am liebsten gar nicht mehr runter.

Übrigens: Wie ihr wahrscheinlich raushören könnt, hab ich die beiden so sehr in mein Herz geschlossen, dass ich sie jetzt doch im Doppelpack adoptieren und am 8. April mit nach Deutschland bringen werde :-)

Kraft tanken in der Naturidylle

Was ich neben der Arbeit mit den Tieren noch total genossen habe, war die sagenhafte Natur um mich herum. Angefangen beim Anblick der Berge, wenn ich morgens mein Wohnwagen-Zuhause verlassen habe über den fast täglichen, 20-minütigen Spaziergang zum Meer bis hin zu traumhaften Sonnenuntergängen untermalt von blökenden Schafen sowie idyllischem Froschquaken und Grillenzirpen. Den hab ich übrigens meist mit den beiden anderen freiwilligen Helfern Jana und Kristof auf der Bank vor unserem Wohnwagen angeschaut. Das war für uns die halbe Stunde "Fern sehen" am Abend und das tolle: Es gab wirklich jeden Tag was anderes zu sehen in unserem "Discovery Channel" ;-)

Was vielleicht in diesem Zusammenhang noch sehr interessant ist: Jana und Kristof sind das junge tschechische Pärchen mit der extremen Tierhaar-Allergie, die kurz vor meiner letzten Abreise im Dezember bei Cleo angefangen haben. Damals dachte ich ja noch: "Solche Freaks, mit so einer starken Allergie täglich mit 70 Katzen zu arbeiten und zu leben!" Doch erstaunlicherweise hat sich die Allergie bei beiden mittlerweile so gut wie komplett gelegt. Vielleicht macht das dem einen oder anderen Allergiker unter euch auch etwas Mut! Ich war aber nicht nur von ihrer Geschichte sehr beeindruckt, auch sie haben mich viel zu meiner Reise gefragt und jetzt sogar ein kleines Interview mit mir in ihrem Blog veröffentlicht :-) Im Blog findet ihr unter anderem auch noch viele tolle Bilder rund um das Leben bei Cleo - vielleicht auch eine kleine Entschädigung, weil ich diesmal kaum welche gemacht habe.

Stippvisite im Tempel

Da auch der Kurzbesuch meiner Mama immer näher rückte, habe ich beschlossen schon ein paar Tage vor ihrer Ankunft in Malaga nochmals den Hare Krishnas im Tempel einen Besuch abzustatten. Die ruhige, positive Atmosphäre hat mir beim letzten Mal schon total gut getan. Und auch dort wurde ich wieder sehr herzlich empfangen, diesmal habe ich sogar ein total schönes Zimmer im Tempelinneren zugeteilt und fast jeden Tag eine neue Blumenkette geschenkt bekommen :-) Umgekehrt hab ich auch fleißig mit im Tempelalltag angepackt und diesmal sogar meinen Harinam-Motivations-Rekord vom letzten Mal gebrochen. Insgesamt 15 Leute - also nochmals vier mehr - waren wir schließlich, die wieder singend und tanzend durch Málagas Altstadt gezogen sind. War abermals eine sehr fröhliche Atmosphäre und ich wurde schon mit dem besten Zimmer des gesamten Tempels bestochen, wenn ich noch länger als "Harinam-Beauftragte" geblieben wäre.

Aber das Angebot habe ich lachend und dankend angelehnt, schließlich hab ich mich ja schon sehr auf meine Mama und die restlichen Stationen meiner Reise gefreut. Meine Mama hat sich bei ihrer Ankunft auch noch einen Einblick vom Hare Krishna Tempel verschafft, denn der liegt nur knapp zehn Minuten vom Flughafen entfernt. So habe ich sie natürlich auch gebührend mit einer Blumenkette empfangen, einen kleinen Rundgang mit ihr gemacht und sie den anderen Tempelbewohnern vorgestellt. Da sonntags ja auch immer Tag der offenen Türe ist und die Morgenzeremonien großteils wiederholt werden, konnte meine Mama auch das Chanten und Tanzen mal hautnah miterleben und zum krönenden Abschluss das leckere Essen genießen. So gestärkt haben wir uns dann am Spätnachmittag noch Málaga angeschaut und abends auf den Weg nach Sevilla gemacht.

Endspurt mit Städtehopping

Nach den eher ruhigen, sesshaften Wochen folgte dann ein regelrechter Städtemarathon. Angefangen bei Sevilla über Valencia und Barcelona bis schließlich Madrid hab ich den sehenswertesten Städten zum nahenden Ende meiner Spanienzeit nochmal einen Besuch abgestattet.

Frühlingsluft in Sevilla schnuppern

Mit meiner Mama habe ich das typische Sevilla-Touri-Programm unternommen. Da wir montags noch richtig gutes Wetter hatten, haben wir so viel im Freien unternommen, wie nur möglich: Über die Plaza de España schlendern, im Park Maria Louisa entspannen, die herrlichen Alcázar-Gärten genießen, einen Blick vom Torre del Oro auf Triana werfen und den Sonnenuntergang vom Flussufer des Guadalquivir anschauen. Mein besonderes Highlight war an dem Tag der Duft der Orangenblüte (Azahar genannt), den hunderte Orangen-Bäume in der ganzen Stadt gerade versprühen! So konnten wir wenigstens einen Hauch von Frühling bzw. aufgrund der Temperaturen Frühsommer verspüren. Denn ab Dienstag hat sich dann leider das Wetter komplett gedreht. So haben wir die meiste Zeit in den kleinen Lädchen und in Tapas-Bars verbracht :-)

Fallas abfackeln in Valencia

Am Mittwoch gings dann für meine Mama nach Hause und für mich nach Valencia zu den "Fallas". Wem das nichts sagt - unbedingt mal bei YouTube ein paar Videos suchen! In dieser Zeit steht die Stadt komplett Kopf: Bis zu 30.000 Menschen sind jedes Jahr mit den Vorbereitungen dieses Frühlingsfestes beschäftigt, zu dem bis zu 20 m hohe Figuren (die sogenannten "Fallas") aus Pappmache erst aufwändig gestaltet, in sämtlichen Straßen aufgestellt und schließlich am letzten Abend nach vorheriger Prämierung verbrannt werden.

Aufgrund des windigen Wetters fand ich gerade dieses Spektakel ziemlich atemraubend, weil die lodernden Feuerberge direkt neben den Häusern stehen. Zum Rahmenprogramm gehören auch täglich spektakuläre Feuerwerke tief in der Nacht, aufwändige Lichtinstallationen und jede Menge Geböller in den Straßen. Wer also etwas Ruhe und Schlaf sucht, ist in dieser Zeit in Valencia definitiv am falschen Ort ;-)

Rundreise komplett: Back in Barcelona

Und weil ich durch meine Reise nach Valencia schon relativ weit "oben" war, dachte ich, ich statte Düse wie zu Beginn meiner Spanienreise nochmals einen mehrtägigen Besuch in Barcelona ab. Leider war das Wetter trotzdem weiterhin relativ bescheiden, aber wir haben das Beste draus gemacht!

Meine insgesamt fünf Tage in Barcelona waren ein wirklich schöner Mix aus gemütlich mit Düse quatschen, gemeinsamen Kochsessions, Unternehmungen mit seinen Kollegen, aber auch viel Zeit für mich tagsüber, wenn Düse arbeiten musste. So hab ich's jetzt auch endlich mal geschafft, mir die Sagrada Familia von innen anzuschauen - aus meiner Sicht die mit Abstand schönste Kirche der Welt! Durch die bunten Glasfenster fällt selbst an grauen Regentagen so viel Licht, das die Stimmung einfach nur "aufgehellen" kann.

Zweimal haben wir abends auch mit seiner Mitbewohnerin Maria zu Abend gegessen und total interessante Gespräche geführt, unter anderem über Katalonien und seine Besonderheiten, die politische Lage im Allgemeinen und Sprachticks. Dabei ist mir zum einen aufgefallen, dass ich Diskussionen auf Spanisch mittlerweile mühelos folgen und mich auch gut daran beteiligen kann. Und zum anderen habe ich festgestellt, wie viel ich durch meine Rundreise jetzt tatsächlich über die einzelnen Regionen gelernt habe. Das hat mich echt gefreut!

Letztes Projekt und Kurzbesuch in Madrid

Während meiner Zeit in Barcelona habe ich auch die Entscheidung gefällt, was ich mit meiner übrigen Zeit in Spanien noch anfangen möchte. So hatte ich mich spontan am Samstag auf ein Workaway-Projekt nahe Madrid beworben. Und bin angenommen worden :-) Bei dem Projekt handelt es sich um eine einwöchige Mitarbeit auf einer Pferde-Farm in Aranjuez. Meine Aufgaben hängen allerdings nicht direkt mit den Tieren selbst zusammen. Soweit ich es verstanden habe, werde ich spanischen Kindern, die zur Reiterwoche in den Osterferien kommen spielerisch Englisch vermitteln, z.B. durch Spiele und Lieder. Dass ich aber trotzdem viel Kontakt mit den Tieren haben werde, wurde mir zugesichert ;-)

Ich bin jedenfalls total gespannt, was mich dort erwartet. Denn während ich diese letzten Zeilen hier schreibe, sitze ich gerade im Zug von Madrid nach Aranjuez. Der spanischen Landeshauptstadt hattet ich seit gestern Nachmittag noch einen Kurzbesuch abgestattet. Hier war ich zwar schon mal vor rund 10 Jahren, aber dennoch war es schön, wieder durch die Stadt und den Park zu schlendern und auch ein paar richtig tolle Ausstellungen im Süden des Zentrums (La Casa Encendida, El Matadero, La Tabacalera) zu bestaunen.

Nach soviel Städte-Hopping freu ich mich jetzt auch wieder darauf, ein paar Tiere rumhoppeln zu sehen :-) Bis zu meinem nächsten, wahrscheinlich letzten Beitrag wünsche ich euch eine schöne Vorosterzeit und sende euch endlich wieder warme, sonnige Grüße in die Heimat!

Montag, 2. März 2015

Leben in der Hare-Krishna-Tempelkommune

Ich dachte, es wird allerhöchste Zeit für einen neuen Post. Nicht, dass ihr vielleicht denkt, ich bin noch in den Klauen der Krishnas und werde nicht mehr aus dem Tempel freigelassen ;-) Vorab zur Beruhigung: Seit über einer Woche bin ich schon wieder bei Cleo und ihrer Katzenauffang-Station in Estepona. Wie ihr seht, hat mich mein Kurzbesuch mit Tobi doch wieder sehr berührt, so dass ich "Heimweh" nach der vierbeinigen Rasselbande und vor allem nach Tyson und Pumi bekommen habe. Daher habe ich mich entschlossen, voraussichtlich bis meine Mama mich Mitte März besuchen kommt, hier zu bleiben. Und Cleo hat sich sehr über meinen Anruf gefreut und ist sogar extra die 160 km von Estepona nach Malaga hin und zurück gefahren, um mich bei den Hare Krishnas abzuholen, was ich echt sehr nett fand und wir daher einen sehr guten Neustart hatten.

Eintauchen in eine andere Welt

Doch in diesem Blogbeitrag will ich euch erst mal noch ein bisschen von meiner Woche bei den Hare Krishnas und dem Leben in der Tempel-Kommune berichten. Ihr habt ja in meinem letzten Blogbeitrag lesen können, dass ich schon mal einen sehr netten Start dort hatte. Und mein positiver erster Eindruck hat sich über die ganze Woche bestätigt.

Eins vorweg: Ich bin definitiv nicht konvertiert ;-) Und ich hab auch von Anfang an ganz offen kommuniziert, wie ich zum Thema Glauben und Religion stehe. Dass ich zwar glaube, dass es irgendetwas gibt, dass die Welt zusammen hält, aber dass ich mich nicht festlegen kann und will, ob das jetzt beispielsweise Gott, Allah, Buddah oder Krishna ist. Denn meiner Meinung nach sind sich die unterschiedlichen Religionen in vielem sehr ähnlich und dennoch gab und gibt es so viele Glaubenskriege auf der Welt... Daher ist für mich Respekt und Verständnis gegenüber anderen Glaubensrichtungen und Kulturen sehr viel wichtiger, als mich auf eine Religion festzulegen. So wollte ich einfach mal sieben Tage lang in eine andere, hinduistisch geprägte Glaubensauffassung eintauchen, um selbst zu sehen, zu hören, zu fühlen, zu diskutieren und zu verstehen. Und dann zu entscheiden, was ich davon halte.

Mit dieser offenen, möglichst wertfreien Haltung habe ich mich einfach mal an das Experiment "Leben in einer Hare Krishna Community" rangewagt. Und ich habe viele interessante Eindrücke mitgenommen, die ich gerne mit euch teilen möchte.

Der frühe Vogel... trällert das Mantra

An meinem ersten Morgen stand ich ganz tapfer schon um 5 Uhr im Tempel (jetzt weiß ich übrigens auch, warum man das bei uns "unchristliche Zeit" heißt :-)). Zwar ist es den freiwilligen Helfern komplett freigestellt ist, ob sie auch an den täglichen religiösen Ritualen der Hare Krishnas teilnehmen möchten oder nicht. Aber da ich extrem neugierig war, wie die insgesamt vierstündige Morgenzeremonie so abläuft, hab ich meinen inneren Schweinehund (und den Sevilla-Jetlag) erfolgreich besiegt. Strümpfig (im Tempel gilt strenges Straßenschuh-Verbot!) und noch etwas verschlafen war ich erst mal damit beschäftigt, meine ersten doch etwas befremdlichen Eindrücke zu verarbeiten: Den Anblick der lebensgroßen und unheimlich echt wirkenden Statue des Hare Krishna Gründers Prabhupada, der pompös geschmückte Altar mit den Götterstatuen, die räucherstäbchen-geschwängerte Luft, die fremdartig-schönen Gesänge in der Sanskrit-Sprache untermalt von Trommeln und Zimbeln... Die Atmosphäre ist wirklich sehr besonders und schwer in Worte zu fassen. Ich glaube, das muss man einfach mal selbst erlebt haben. 

Der tägliche "Gottesdienst" von 5 bis 9 Uhr besteht eigentlich aus drei Komponenten: Zum ersten aus Gesang, dem sogenannten Chanten. Mit diesen Lobliedern huldigen sie unter anderem ihren Gott Krishna, ihren Gründer Prabhupada oder auch Tulasi - einen speziellen Basilikum-Baum, der ihnen sehr heilig ist. Das Chanten läuft immer so ab, dass ein Vorsänger eine Liedzeile in der Sanskrit- oder Bengali-Sprache vorsingt und alle anderen anschließend diese wiederholen. Dieser Teil mit der Kombi aus Gesang, rhytmischen Musikinstrumenten und Tanz hat mir immer am besten gefallen. Auf Youtube habe ich ein Video aus dem Tempelinneren gefunden. Zwar stammt es von einem besonderen Fest und nicht von einem regulären Gottesdienst, aber so bekommt ihr mal einen Eindruck von der Atmosphäre während des Chantens:


Ein zweiter und sehr zentraler Teil besteht im Beten des bekannten Mantras "Hare Krishna Hare Krishna Krishna Krishna Hare Hare Hare Rama Hare Rama Rama Rama Hare Hare". Dafür sind schon mal knapp zwei der insgesamt vier Stunden vorgesehen. Denn dieses "Mahamantra" sollte jedes Hare Krishna Mitglied im Tagesverlauf 1.728 mal aufsagen. Unterstützung beim Zählen bietet eine rosenkranzartige Gebetskette ("Mala"), die aus 108 Holzperlen besteht. Nach 16-maligem Abklappern der 108 Perlen hat man dann sein Tagessoll erfüllt. Ich hab das auch mal ausprobiert und für eine Runde schon alleine 20 Minuten gebraucht! Nach dieser einen Runde bin ich dann auch wieder für ein Stündchen zurück ins Bett geschlüpft, so lange die anderen - jeder für sich - ihre Mantras weitergebetet haben. Pünktlich um halb 8 stand ich dann wieder auf der Matte, denn dann wird täglich der frisch mit Blumen geschmückte Altar enthüllt und nochmals etwas gechantet. 

Und der dritte und letzte Teil beinhaltet eine Art Vorlesung. Entweder wird dabei einer Tonbandaufnahme des Gründers Prabhupada gelauscht oder jemand liest aus der Bhagavad Gita (quasi der Bibel der Hare Krishnas) vor und es wird im Anschluss darüber diskutiert. Hier konnte ich auch wieder mein Spanisch trainieren - überhaupt wird im Tempel fast ausschließlich Spanisch gesprochen.

Kochen für Krishna

Eins meiner absoluten Highlights bei den Krishnas war das super leckere Essen, "Prasadam" genannt. Für die Hare Krishnas hat das Kochen nämlich auch etwas heiliges und zugleich meditatives. Daher geht in der Küche alles super hygienisch zu, d.h. erstens keine Straßenschuhe, zweitens immer nur frisch geduscht und mit frischen Kleidern kochen und drittens nirgendwo einfach mal so den Löffel in den Kochtopf stecken und probieren bzw abschmecken. Denn alles was gekocht wird, bieten sie zunächst Krishna in Gestalt der Altarfiguren als Opfergabe dar.

Anschließend ist das Essen quasi gesegnet, die Mini-Portion wird unter das normale Essen gemischt und an alle hungrigen Tempel-Bewohner verteilt. Die Hare Krishnas ernähren sich übrigens ausschließlich vegetarisch, d.h. kein Fleisch, kein Fisch und auch keine Eier. Mir hat in dieser einen Woche aber rein gar nichts gefehlt, im Gegenteil: Das ayuvedische Essen mit seinen besonderen Gewürzen hat mir richtig gut getan und ich fühl mich nach meiner Endlos-Erkältung in Sevilla jetzt wieder viel fitter! Auch wenn ich sonst nicht das Gefühl habe, bekehrt worden zu sein, aber in Punkto Ernährung möchte ich tatsächlich zukünftig mal versuchen, mich weitestgehend vegetarisch zu ernähren.

Namensgedächtnis-Training für Fortgeschrittene

Weiter unten findet ihr übrigens auch noch ein paar Bilder vom Anwesen rund um den Tempel. Die 12-15 Bewohner (Devoten genannt) leben auf dem rund 2.500 Quadratmeter großen Grundstück in kleinen, einfachen Häuschen, manche auch in einem Wohnmobil oder Zelt. Die Jüngsten sind etwa in meinem Alter, der Älteste ist 73 Jahre und heißt Giri Dhari.

Die meisten Hare Krishnas haben neben ihrem "normalen" nämlich auch noch einen spirituellen, indischen Namen. Diesen wählen sie allerdings nicht selbst, sondern ein Guru sucht den passenden Namen bei der offiziellen Einweihungszeremonie aus, die am Ende einer rund einjährigen Ausbildung steht. So hatte ich am Anfang ziemlich mit fremdartig klingenden Namen wie Chaitanya, Rasambrita, Bhakti Raza oder Gauranga zu kämpfen und konnte abermals mein Namensgedächtnis trainieren. Und dafür bin ich am Ende auch sehr gelobt worden. Die meisten meinten, dass selbst sie am Anfang mehrere Wochen oder gar Monate gebraucht hatten, um sich die Namen zu merken - da hätte ich innerhalb von 7 Tagen einen echten Rekord hingelegt. Da hat sich also meine Zeit im Hostel fürs Gedächtnistraining schon ausgezahlt ;-)

Hare Krishna Animateurin

Eine weitere Stärke aus meinem Hostel-Aufenthalt konnte ich direkt auch bei den Hare Krishnas einsetzen: Und zwar Menschen zu gemeinsamen Aktivitäten zu motivieren - im Fall der Krishnas zum sogenannten "Harinam". Dieses Event findet für gewöhnlich immer am frühen Freitagabend statt. Dabei sollte immer zumindest eine kleine Truppe singend durch Malagas Altstadt ziehen und Flyer für den wöchentlichen Tag der offenen (Tempel)Türe am Sonntag verteilen. Für mich stand von Anfang an fest, dass ich auf jeden Fall dabei sein wollte, einfach um auch mal zu sehen, wie andere Menschen darauf reagieren.

Leider war die Harinam-Haupt-Organisatorin (auch eine im Tempel lebende Deutsche) grade im Indien-Urlaub, daher hat im Vorfeld irgendwie die treibende Kraft gefehlt. Und erstaunt hab ich auch festgestellt, dass sich manche Devoten doch auch damit schwer tun, tatsächlich so in der Öffentlichkeit "aufzufallen" - abseits vom Schutz des Tempels. Irgendwie fand ich das sehr menschlich und sympathisch. Da ich aber trotzdem unbedingt mal selbst bei einem Harinam dabei sein wollte, habe ich kurzerhand die Organisation bzw. vielmehr die Motivation der Menschen übernommen.

Das heißt schon beim Frühstück und Mittagessen habe ich versucht, meine Gesprächspartner mit meiner Vorfreude anzustecken. Und als zur Abfahrtszeit um 17.30 Uhr nur eine magere Truppe von drei Personen inklusive mir bei den Autos stand, bin ich kurzerhand die einzelnen Behausungen abgelaufen, habe sämtliche Ausreden entkräftet und aufgrund meiner Hartnäckigkeit sehr viele herzliche Lacher geerntet :-) Doch das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Nur knapp eine halbe Stunde sind wir zu elft vom Hof gerollt und als wir im Zentrum von Malaga ankamen war die Stimmung in der Gruppe richtig fröhlich!

Unser Marsch durch die Altstadt-Gassen, unentwegt das Hare-Krishna-Mantra singend, hatte schon ein bisschen was von Karnevalsumzug. Aber entgegen meiner Erwartungen haben die meisten Menschen eher neugierig und offen reagiert, manchmal haben sie auch ein bisschen mit uns mitgetanzt - dank der Trommel und der Zimbeln kann man ja auch fast nicht die Füße stillhalten. Auch ich hab mir gar keine großen Gedanken darüber gemacht, was die anderen Menschen wohl von uns denken könnten, sondern einfach den Moment und die positive Stimmung genossen. Wer übrigens nicht weiß, dass Drogen und Alkohol bei den Hare Krishnas streng verboten sind, hätte vielleicht wirklich meinen können, wir wären irgendwie high gewesen ;-) Leider kann ich die Videos nicht einfach so wie die Bilder hier an den Blogbeitrag anhängen. Wer aber trotzdem gerne einen authentischen Eindruck haben möchte, kann sich gerne über WhatsApp bei mir melden, dann schicke ich euch gerne ein Video zu.

Ausflüge außerhalb des Tempelalltags

In meinem tagtäglichen Tempelalltag hatte ich übrigens ganz verschiedene Aufgaben. So habe ich zum Beispiel in der Küche geholfen, ein paar leichte Garten- und Malerarbeiten erledigt, den Tempel geputzt (das ist übrigens eine große Ehre und gibt wohl extra viel gutes Karma ;-)) oder auch einen neuen Essensstand geschreinert. Damit ich aber auch noch ein bisschen was außerhalb des Tempels sehe, hat mich mein Betreuer Chaitanya eingeladen, mit seiner Familie in die Berge zur Finca einer Bekannten zu fahren. Dort haben wir dann über einer offenen Feuerstelle gemeinsam vegetarische Paella gekocht, gesungen und geredet. Ein super schöner, entspannter Nachmittag und eigentlich ein ganz normaler Ausflug. Und doch gibt es im Vergleich zu meinem Leben auch deutliche Unterschiede.

So saß ich auf der Hinfahrt hinten auf der Rücksitzbank - um mich herum Menschen im gleichen Alter, die aber statt dem Smartphone ihre Gebetskette in der Hand halten und leise die noch fehlenden Mantras des Tages vor sich hermurmeln. Im ersten Augenblick war das für mich wieder total befremdlich. Dann habe ich mir schmunzelnd gesagt, dass für die jeweils andere Seite die unterschiedlichen Gewohnheiten immer erst mal komisch sind. Für die Hare Krishnas ist es wahrscheinlich genauso absurd wie wild ständig am Smartphone rumzutippen, sie setzen ihre Prioritäten eben anders. Aber was ist da normal? Und auf der Rückfahrt haben wir weder das Smartphone noch die Gebetskette in der Hand gehabt - stattdessen haben wir einfach nett miteinander geplaudert.

Interessante Ansätze, aber keine Lebenshaltung

In dieser einen Woche habe ich wirklich unglaublich viel mitbekommen und erlebt und für diese Einblicke bin ich echt dankbar! Auch wenn ich anfangs skeptisch war - es hat niemand versucht, mir seinen Glauben auf Biegen und Brechen aufzudrängen. Klar sind die Menschen im Tempel von ihrer Religion voll und ganz überzeugt. Aber ich wurde von allen sehr herzlich und wertschätzend behandelt, auch wenn ich offen meine Haltung kommuniziert, teilweise kontrovers diskutiert oder kritisch nachgefragt habe.

Für mich steht nach der einen Woche fest: Es gibt wirklich einige Ansätze, die mich ansprechen. So beispielsweise die gesunde, vegetarische Ernährung, das gemeinsame Chanten, das Thema Wiedergeburt und Karma oder auch ein Leben im Einklang mit dem Mondkalender. Es gibt aber auf der anderen Seite auch viele Aspekte, weshalb ein Leben in einer solchen Religionsgemeinschaft für mich nicht in Frage kommen würde, allen voran die sehr strikten Denkweisen und Verhaltensnormen.

Für mich war diese Woche auch eine tolle Gelegenheit, mich mit der Frage nach meinem eigenen Glauben bzw. meiner eigenen Spiritualität zu beschäftigen. Und ich habe für mich beschlossen, dass ich zukünftig gerne auch über andere Religionen gerne noch ein bisschen mehr erfahren würde. Denn auch wenn ich nicht auf der Suche nach "der einen Religion" bin, der ich mich anschließen möchte - irgendwie weiß ich doch über die meisten Glaubensgemeinschaften erstaunlich wenig. Und dabei habe ich auch jetzt erst wieder bei den Hare Krishnas festgestellt, wie viele unbewusste Fettnäpfchen es doch gibt und wie schnell man die Gefühle anderer Kulturen verletzen kann. Dazu muss es natürlich nicht gleich wieder eine solche Erfahrung wie diese sein. Aber ich bin trotzdem sehr froh, mich auf dieses Abenteuer eingelassen zu haben - wann mach ich das schon so schnell mal wieder ;-)