Donnerstag, 27. November 2014

Heiß auf den Dicken

Mich hat das Fieber gepackt. Und zwar das Weihnachtslotterie-Fieber, das schon wieder seit einiger Zeit hier in Spanien grassiert. Bei den zahlreichen Verkaufsstellen ist eine "Infektion" quasi unausweichlich: Von der Stammkneipe, über die Poststelle bis hin zur örtlichen Kirche - überall gibt es die Papierlose mit den fünfstelligen Zahlenkombinationen zu kaufen. Ich habe mal gelesen, dass wohl 97% der Spanier bei der Weihnachtslotterie mitmachen, das hat mich doch neugierig gemacht. Daher habe ich Maria neulich beim Abendessen angesprochen, was es mit dem Hype auf sich hat. Sie ist zwar bisher strenge Weihnachtslotterie-Verweigerin, hat mich aber trotzdem sehr gerne aufgeklärt.

Wissenswertes über die Weihnachtslotterie

Die fünf interessantesten Fakten fasse ich euch mal auf einen Blick zusammen:
  • Die sogenannte "Sorteo de Navidad" ist die weltweit größte Lotterie - gemessen am auszuspielenden Gesamtgewinn.
  • Ein ganzes Los zu kaufen ist ziemlich teuer - das kostet rund 200 Euro. Daher erwerben die meisten Spanier ein Zehntellos (Décimos) à 20 Euro.
  • Am begehrtesten ist der Hauptpreis, auch "El Gordo" (der Dicke) genannt, der 4 Mio. Euro wert ist.
  • Die Ziehung findet immer am Vormittag des 22.12. statt. Dann sitzt ganz Spanien knapp vier Stunden gebannt vor dem Fernseher oder dem Radio - so lange dauert es bis alle rund 1.800 Preise öffentlich ausgelost sind.
  • Das Witzigste: Die Losnummern und die Gewinnsumme werden nicht einfach nur vorgelesen, sondern von zwei Kindern gesungen. 
Ich habe mir jedenfalls in Josés Stammkneipe ein Zehntellos gekauft und mit meinem Lotterie-Fieber letzten Endes dann sogar noch Maria und ihren Bruder angesteckt, die sich gemeinsam ein Zehntellos teilen. Abends haben wir uns zum Spaß auch gleich ausgemalt, was wir mit "dem Dicken" alles anstellen würden... Maria würde ihre Sachen packen und zu einer Weltreise aufbrechen, José würde gerne ein eigenes Gesundheitszentrum für alternative Medizin auf seinem Grundstück errichten und ich hab den beiden damit "gedroht" die zum Verkauf stehende Finca auf dem Nachbargrundstück samt zwölfköpfiger Schafherde zu erwerben ;-)

So bringt man mich auf die Palme

Was ist sonst noch so in meiner Zeit auf der Finca passiert? Nun, der "Dschungel" hat sich gelichtet, wir haben sämtliche Oliven- und Korkbäume zurückgeschnitten, den alten Hühnerstall abgebaut, Zäune von Gestrüpp befreit, das Unkraut im Gemüsegarten gejätet (uff, ist das anstrengend!) und die Palmen gestutzt. Das hat mir besonders gefallen: Wie ein Äffchen am Baum zu hängen und die Palme wie eine Banane zu schälen, das heißt nach und nach die alten Palmblätter auszuzupfen. Da dabei ziemlich viel Dreck aus den Blättern auf einen runter rieselt, hat mir José noch eine super stylische gelbe Brille verpasst, wie ihr unten auf einem der Fotos sehen könnt.

Exkursion nach Acebo und "Back to the roots" 

Neben der Arbeit haben die beiden auch versucht, mir noch ein bisschen was von der Umgebung zu zeigen - soweit das ohne Auto eben möglich ist. So hat José beispielsweise mit mir das Nachbarstädtchen Acebo zu Fuß erkundet, das ich ziemlich idyllisch fand. Ein Dorf, das noch etwas höher als Hoyos liegt, umgeben von der Sierra de Gata, ein charmantes jüdisches Viertel mit alten kleinen Gassen und Ziegenherden, die am Ortsrand grasen.

Letzten Sonntag sind wir dann noch mit ein paar Bekannten aus Hoyos nach "Gata" (was übrigens auf Spanisch Katze heißt :-)) gefahren. Von dort aus sind wir die letzten vier Kilometer in die Berge gewandert, wo sich das riesige Grundstück eines befreundeten jungen Ehepaars  (Juan und Paz) befindet, die ebenfalls mit freiwilligen Helfern arbeiten, die sie über die Internetplattform "Work away" finden. Das Witzige ist: Mit genau diesem Ehepaar stand ich ebenfalls in Kontakt, um bei ihnen in den Bergen mitzuhelfen. Da Maria und José sich aber schneller gemeldet haben, habe ich mich für die beiden entschieden. Und bin sehr froh über meine Entscheidung!

Denn auch wenn es wirklich interessant war, mal zu sehen wie und wo andere Freiwillige arbeiten bzw. wo es mich beinahe hinverschlagen hätte. Ich glaube insgesamt wäre mir das doch zu krass gewesen. Neben der - für Mädels sehr schweren - körperlichen Arbeit, haben mich auch ehrlich gesagt die hygienischen Rahmenbedingungen eher abgeschreckt. So haben Juan und Paz durch die zahlreichen Bergquellen zwar jede Menge frisches, fließendes Wasser. Aber ein richtiges Klo, eine Dusche oder eine Waschmaschine gibt es mitten in den Bergen natürlich nicht. Dafür ein Plumpsklo und eine Badewanne im Freien (!), unter der man ein Feuer machen kann, um sich sobald das Wasser warm genug ist, zu baden - und anschließend gleich noch die Kleidung von Hand darin zu waschen. Eine der Freiwilligen hat mir erklärt, dass sie nur ca. einmal pro Woche richtig badet, auch weil es echt umständlich ist! Bis sie Holz gesammelt, das Feuer entzündet und das Wasser die richtige Temperatur hat, vergehen fast zwei Stunden. Und dann muss man natürlich noch aufpassen, das man sich den Po beim Baden nicht verbrennt ;-) Ich glaube die beiden Freiwilligen waren fast ein bisschen neidisch, als ich ihnen von meinem Leben bei Maria und José erzählt habe. Und dabei dachte ich, dass wir schon etwas ursprünglicher leben...

Ich packe wieder meinen Rucksack und nehme mit...

Es ist wieder soweit - ich ziehe weiter! Und gerade weil ich im idyllischen Hoyos definitiv einen sehr entschleunigten Lebensrhythmus hatte, bin ich sehr erstaunt, wie schnell die zwei Wochen verflogen sind! Echt rührend fand ich, dass die beiden gestern Abend noch ein schönes Abschiedessen organisiert haben. Auch Marias Bruder Carlos und seine Freundin kamen zu Besuch. Und zur Feier des Tages gab es neben Tortilla, Hühnchen und Birnen-Apfel-Kompott sogar Wein - der war im Gegensatz zu Güemes bei Maria und José nämlich nicht an der Tagesordnung.

Was nehme ich aus diesem Aufenthalt auf der Finca Santa Caralina mit - abgesehen von leckerem Olivenöl und Oliven? Auf jeden Fall einen immens erweiterten Wortschatz, der dank Maria sogar noch von typisch spanischen "Tacos" (Schimpfwörtern) gespickt ist. Die konnte ich vor allem dann fleißig notieren, wenn sie mal wieder beim Schach oder beim Würfelspiel "Mentiroso" (quasi die spanische Version von Mäxle) verloren hat :-)

Überhaupt das Alltagsleben von Spaniern mitzuleben und zu erfahren, was die Menschen bewegt (z.B. die vielen Korruptionsvorfälle in der Politik), sich über Gewohnheiten und Bräuche auszutauschen und einfach Teil einer Familie zu sein - all das war sehr wertvoll für mich und ich bin sehr dankbar für diese einmalige Erfahrung! Von José habe ich noch einige tolle Atem- und Dehnübungen im Gepäck und von Maria habe ich leckere und zugleich einfache Rezepte abgeschaut (z.B. "falsche Tortilla"). Ach ja und meine Knoblauch-Unverträglichkeit hat sich mittlerweile übrigens auch gelegt ;-)


Vom Paradies in den Großstadt-Dschungel

So geht es vom paradiesischen Urwald auf der Finca nun weiter in den Großstadt-Dschungel. Sevilla heißt mein nächster Halt auf meiner Reise. Hier verbringe ich das Wochenende, bevor es dann am Montag auf zu meiner letzten Station nach Estepona vor Weihnachten geht. Dort unterstütze ich Cleo, eine deutsche Auswanderin, die sich für die Straßenkatzen einsetzt. Mehr dazu aber nächste Woche. Jetzt freue ich mich erst mal total auf Sevilla, wo ich voraussichtlich ein starkes Kontrastprogramm zu Hoyos genießen werde :-) Und besonders freue ich mich auf eine lange heiße Dusche, ohne Angst zu haben, dass die anderen nach mir kein warmes Wasser mehr haben ;-)

Samstag, 15. November 2014

Erntehelferin im Paradies

Umgeben von viel Natur fühle ich mich hier wie im Paradies. Schon auf meiner rund zweistündigen Busfahrt von Cáceres nach Hoyos habe ich die endlose Weite und die grüne Landschaft Extremaduras genossen. Diese Region ist der mit Abstand am dünnesten besiedelte Teil Spaniens mit nur rund einer Million Einwohnern auf über 40.000 km². Somit steppt hier also nicht wirklich der Bär - aber nach über zwei Wochen Herumreisen freue ich mich jetzt auch über etwas mehr Ruhe, Arbeiten an der frischen Luft und Familienanschluss.

Meine temporäre Familie besteht aus Loli (die von mir aber lieber bei ihrem eigentlichen Namen Maria genannt werden möchte) und José sowie einem Hund und vier Katzen. Die beiden sind ziemlich witzig, sehr herzlich und interessante Persönlichkeiten. Ursprünglich aus Nordspanien stammend, haben sie sich vor 15 Jahren eine rund 1 Hektar große Finca nahe des Dörfchens Hoyos gekauft. Hier leben sie jetzt ein sehr ruhiges, aber glückliches Leben. Für mich ist ihr Lebensstil eine neue, aber sehr bereichernde Erfahrung, denn die beiden leben relativ autark und alternativ.

Autarker Lebensstil umgeben von Natur

So haben die beiden beispielsweise eine kleine Photovoltaik-Anlage in ihrem Garten installiert und leben ausschließlich von der Solarenergie. Natürlich sitzen wir an Tagen, an denen die Sonne nicht gescheint hat, deshalb nicht im Dunkeln - es gibt immer noch notfalls einen benzinbetriebenen Generator, der für die Energiezufuhr sorgt. Aber soweit es geht, wird versucht, mit der durch Sonnenlicht gewonnenen Energie auszukommen.So ist Musikhören oder Fernsehschauen keine Nebenbei-Beschäftigung, sondern etwas Besonderes und wir genießen diese Momente mit besonderer Aufmerksamkeit.

Zudem leben die beiden viel von ihrem eigenen Gemüse- und Obstgarten, außerdem gibt es reichlich frisches Wasser aus einer unterirdischen Quelle. Und was mir besonders gut gefällt: Geheizt wird mit Kaminöfen, die eben diese besondere Wärme ausstrahlen, die ich so liebe. Das ist am Abend aber auch nötig. Denn in Extremadura ist auch schon etwas kühler - wir liegen aber auch in den Sierra de Gata und damit auf fast 600 Höhenmetern. Auch in dem kleinen Steinhäuschen, in dem ich schlafe, gibt es einen eigenen kleinen Ofen, der ordentlich einheizt. Die Wärme aus dem Ofen sorgt übrigens gleichzeitig für warmes Wasser im Haus.

Arbeiten mit einem frischen Wind um die Nase 

Vielleicht fragt ihr euch, wie mein Tagesablauf hier auf der Finca "Santa Catalina" aussieht. Das habe ich die beiden am ersten Tag auch gefragt und sie haben sich sehr über meine typisch deutsche, strukturierte Herangehensweise amüsiert :-) Nun ja, trotzdem hat es sich mittlerweile so eingependelt, dass wir uns gegen 9 Uhr in der Küche treffen und erst mal gemütlich Frühstücken. Gestern haben wir vor dem Frühstück auch noch eine kleine Yoga-Morgeneinheit eingelegt, das praktizieren die beiden nämlich schon seit vielen Jahren. Und ich hab mich gefreut, teilhaben zu dürfen. Vor allem weil ich gemerkt habe, dass ich ohne meine eigene wöchentliche Yogastunde doch mittlerweile etwas eingerostet bin - vor allem im Vergleich zu den beiden ;-)

Nach dem Frühstück steht dann die Gartenarbeit auf dem Programm. So habe ich beispielsweise bei der Olivenernte mitgeholfen, den Gemüsegarten winterfest gemacht oder beim Zurückschneiden sämtlicher Bäume im Garten unterstützt. Und ich genieße das Arbeiten an der frischen Luft wirklich in vollen Zügen - und lerne jede Menge dazu!

Nachhilfe in Sachen Oliven-Kunde

Vor allem die Sache mit der Olivenernte fand ich echt spannend. Ich weiß nicht, wie es um eure Oliven-Kenntnisse bestellt ist, aber meine haben sich peinlicherweise bisher lediglich darauf beschränkt, dass ich weiß, in welchem Regal sie im Supermarkt stehen ;-) So habe ich mittlerweile gelernt, dass die grünen Oliven (die ich am liebsten mag) eigentlich noch unreif sind und erst wenn diese sich schwarz gefärbt haben, richtig reif und mild und damit vor allem für die Herstellung von Olivenöl geeignet sind. Maria hat mich bei unserer kleinen Olivenkunde mal von einer grünen und einer schwarzen Olive direkt vom Baum kosten lassen und ich muss sagen... "Bäh!". Zwar haben die schwarzen Oliven deutlich weniger Bitterstoffe als die grünen, aber was die Oliven erst richtig genießbar macht, ist die Behandlung mit Wasser, Salz, Knoblauch und verschiedenene Gewürzen im Anschluss an die Ernte.

Da sie nur für ihren Eigenbedarf ernten, wenden Maria und José natürlich nicht die industriellen Verfahren an. Bei ihnen verläuft alles gemütlicher - und schonender. Das fängt schon damit an, dass die Oliven von Hand gepflückt und nicht beispielsweise Rüttelmaschinen eingesetzt werden, die die Oliven in Massen zu Boden fallen lassen. Bei uns gilt also "Klasse statt Masse" - so haben wir beispielsweise gerade bei den schwarzen Oliven darauf geachtet, dass möglichst die größten und richtig dunklen pflücken, die nicht durch den Regen aufgeplatzt sind oder Würmer enthalten.

Nach der Ernte haben wir die schwarzen Oliven angeschnitten und in einen großen Krug mit frischem Quellwasser eingelegt, das alle 3-4 Tage erneuert wird. So wird den Oliven nach und nach der bittere Geschmack entzogen. Im Anschluss werden noch Gewürze hinzugefügt und nach rund einem Monat sind diese verzehrbar. Im Gegensatz zu den grünen Oliven - hier vergeht bis zu ein Jahr, bis sie genießbar sind. Normalerweise lassen die beiden aus den schwarzen Oliven auch Olivenöl herstellen - aber da die Bäume nur alle zwei Jahre richtig viele Oliven tragen, fällt die Olivenöl-Herstellung dieses Jahr leider aus. Letztes Jahr haben die beiden aus ihren über 30 Bäumen aber insgesamt rund 80 Liter Olivenöl gewonnen.

Siesta zwischendurch und gemütliche Abendaktivitäten

Im Anschluss an die Gartenarbeit steht meist nochmals eine kleine Yoga-Einheit auf dem Programm, um die Muskulatur nach der Arbeit etwas zu Dehnen. Dann gibt's gegen 14.30 Uhr Mittagessen und anschließend ist erst mal Siesta angesagt, in der jeder tut, was er möchte. Ich mache gern ein Nickerchen, lese ein Buch oder unterhalte mich ein bisschen mit den beiden. Das genieße ich hier nämlich auch sehr - ausschließlich Spanisch zu sprechen und noch mehr über die Kultur und die Gewohnheiten zu erfahren. Umgekehrt ist Maria auch immer sehr interessiert, wie das bei uns in Deutschland so abläuft. Gegen Abend gehen wir manchmal spazieren, bekommen Besuch, machen einen kleinen Ausflug ins Dörfchen oder diese Woche habe ich Maria beispielsweise auch zu ihrem Kinderchor begleitet und spanischen Weihnachtsliedern gelauscht :-)

Darüber hinaus gehe ich Maria gerne beim Kochen zur Hand und bin zudem dabei, von José das Schachspielen zu lernen - das machen wir meist gegen Abend. Manchmal schauen wir auch noch einen Film, lesen ein Buch oder sitzen einfach gemütlich vor dem Kamin und unterhalten uns.

Arbeiten und Ausflüge im Einklang mit dem Wetter

Wenn das Wetter mal tagsüber nicht so gut ist, ist Gartenarbeit übrigens keine Pflicht. So haben wir die sinnflutartigen Regenfälle (die in Extremadura wohl keine Seltenheit sind) diesen Donnerstag beispielsweise für ein bisschen Hausarbeit und insgesamt einen sehr gemütlichen Tag genutzt. Auch heute hat es immer wieder genieselt, so dass wir spontan entschlossen haben, die beiden Fincas von Marias Geschwistern in der näheren Umgebung in Verbindung mit einem längeren Spaziergang zu erkunden (die beiden haben auch kein Auto). Ich habe diesen Ausflug wirklich sehr genossen: So habe ich nicht nur die erweiterte Familie kennengelernt, sondern konnte mich auch noch an der knuffigen Eselin "Flor" und den zutraulichen Schafen auf dem Anwesen von Marias Schwester erfreuen :-)

Ihr seht, auch wenn das Leben hier etwas ursprünglicher ist, fehlt es mir an nichts - im Gegenteil: Ich finde es auch mal schön zu erfahren, wie "einfach" es sich glücklich leben lässt. Und ich glaube, dass ich die Dinge, die ich zuhause ganz selbstverständlich jeden Tag nutze (z.B. Strom, warmes Wasser, CD-Player...) zukünftig mehr schätzen werde.

Montag, 10. November 2014

Auf und ab in Portugal

Heute Morgen hatte ich erstmals richtig Pech. Kaum stand ich an der Metro-Station, um zum Fernbus-Bahnhof zu fahren, gab es technische Probleme und es kam einfach keine Metro mehr. Dabei war alles so schön geplant: Bereits bei unserer Ankunft in Lissabon am Donnerstag habe ich mir relativ mühselig eine Verbindung zurück nach Spanien ergattert. Denn obwohl mein nächstes Reiseziel Extremadura der direkt an Portugal angrenzende Teil Spaniens ist, fahren dorthin keinerlei Züge und auch nur zwei Busgesellschaften mit relativ wenigen Verbindungen. Soviel zur Nachbarschaftspflege zwischen Portugal und Spanien ;-) Nach langer Suche konnte ich dann aber doch einen Bus für Montagmorgen um 9.15 Uhr buchen - ebenso wie ein schönes Zimmer in Cáceres. Das ist die Hauptstadt von Extremadura, wo ich einen kurzen Zwischenstopp einlegen wollte, bevor die Farmarbeit beginnt.

Glück im Unglück und erneute Gelassenheits-Probe

Als nach über einer halben Stunde endlich wieder eine Metro fuhr (normalerweise verkehren die im 4-Minutentakt), war mir eigentlich schon klar, dass ich meinen Bus nicht mehr erreichen würde. Das hat mich zunächst echt nervös gemacht, weil ich auch angefangen habe, sämtliche Alternativen inklusive aller Konsequenzen innerlich durchzuspielen - von einer zusätzlichen Nacht in Lissabon, über einen anderen Zwischenstopp in Extremadura bis hin zur Spätbus-Variante, der allerdings erst mitten in der Nacht in Cáceres angekommen wäre.

Letzten Endes habe ich beschlossen, nicht mehr weiter nachzudenken, sondern einfach die Situation anzunehmen und abzuwarten. So war zwar mein Bus tatsächlich schon weg, als ich endlich ankam. Aber dafür habe ich an der Busstation ein nettes Mädel (Catherine) aus New York getroffen, die genau das gleiche Schicksal teilte. Und auf unsere gemeinsamen Erklärungen hin hat uns die freundliche Dame am Ticket-Schalter auf einen zeitnahen Alternativ-Bus umgebucht - ohne dass wir dafür nochmals extra bezahlen mussten. Cool, oder?! So sitzen wir jetzt gemeinsam im Bus in Richtung Cáceres - zwar drei Stunden später als geplant, dafür überglücklich :-)

Von Sprachbarrieren und Baracken

Zum Glück waren die anderen Tage in Portugal etwas weniger nervenaufreibend - wenn auch vergleichsweise anstrengender als in Spanien. Denn obwohl die Portugiesen sehr viel häufiger und besser Englisch sprechen als die Spanier, so war es für mich doch wieder ungewohnt, sich nicht so einfach verständigen bzw. vor allem alles lesen zu können wie bisher. Zwar lassen sich einige Worte aus dem Spanischen ableiten, aber die Aussprache ist komplett anders. Tobi und ich mussten des Öfteren herzlich lachen, wenn wir versucht haben, Standard-Sätze aus unserem Reiseführer (z.B. "Danke, das hat sehr lecker geschmückt!") in der Praxis wiederzugeben. Irgendwie hat sich das für uns immer ein bisschen wie bei "Willkommen bei den Sch'tis" angehört :-)

Viel mehr sprachlos haben uns aber die vielen leerstehenden, teils sehr heruntergekommenen Häuser in bester Innenstadt-Lage gemacht - sowohl in Porto als auch in Lissabon. Vor allem, wenn wir es ja sonst von zuhause gewohnt sind, dass solche Baracken abgerissen und mal eben ein weiteres Einkaufszentrum draufgesetzt wird. So wurde uns bei all dem Sightseeing auch immer wieder die schwierige wirtschaftliche Situation des Landes vor Augen geführt.

6 Highlights aus 6 Tagen Portugal

Kommen wir jetzt aber zu den  Glanzlichtern unserer Portugal-Tour - was waren die Highlights aus sechs Tagen Porto und Lissabon?

1) Portwein-Tasting in Gaia: Obwohl ich sonst nicht so gerne Wein trinke - seit Mittwoch bin ich bekennender Portwein-Fan! Vor allem der LBV (Long Botteled Vintage) hat's mir angetan :-) In Portos Stadtteil Gaia gibt es zahllose Portwein-Kellereien, durch deren edle Tropfen man sich im Rahmen einer Führung schlürfen kann. Wir haben uns für Taylor's entschieden, eine der traditionsreichsten Marken. Dadurch dass sie ihren Sitz relativ weit oben am Hang haben, hat man auch gleichzeitig einen tollen Blick auf Porto.

2) Porto by Night hoch über dem Fluss: Die große Brücke, die Porto und Gaia miteinander verbindet und sehr an den Eiffelturm erinnert (hat wohl auch ein Schüler des Eiffelturm-Baumeisters konstruiert) muss man unbedingt zweimal überquert haben. Den unteren Abschnitt am besten auf dem Hinweg nach Gaia. Hier hat man auch einen tollen Blick auf die Kellereien auf der anderen Flussseite und die historischen Portwein-Schiffchen. Und den schwindelerregend höheren Abschnitt empfehlen wir bei Dunkelheit zu überqueren - dort erwartet ein gigantischer Ausblick auf das beleuchtete Gaia und Porto. Wer jedoch (wie wir) die letzte Seilbahn zum oberen Brückenübergang verpasst und nach dem Portwein-Tasting obendrein zu schwere Beine hat, kann sich Tobis Insidertipp zu nutze machen: Einfach mit dem Fahrstuhl bis zum letzten Stock des nahegelegenen Parkhauses fahren - von dort aus sind es nur noch zwei Minuten bis zum oberen Brückenübergang :-)

3) Achterbahnfahrt mit der 28 durch Lissabon: Einen ersten Eindruck der Stadt haben wir auf einer Fahrt mit der gelben 28-er-Tram (ähnlich wie die in San Francisco) gewonnen. Die rattert mit einer teilweise irren Geschwindigkeit durch die engen Gassen der Altstadt - natürlich immer bergauf und bergab, weil Lissabon ebenso wie Porto unglaublich hügelig ist. Ins Schwitzen kommt man übrigens nicht nur aufgrund der vielen Menschen, die sich in so einen kleinen Waggon quetschen. Gerade auch wie knapp die Bahn immer an Menschen, Autos oder Häusern vorbeisaust, hat mir hin und wieder den Atem stocken lassen.

4) Fado-Konzert bei Senhor Vinho: Richtig unter die Haut gingen mir die Fado-Gesänge im schicken Restaurant von Senhor Vinho, das wohl für seine erstklassigen Konzerte weit und breit bekannt ist. Bei Fado handelt es sich um eine eher melancholische Musikrichtung mit langer Tradition in Portugal. Auch wenn wir vom Gesang natürlich nicht allzu viel verstanden haben, so kommt schon allein durch die Melodie und die Ausdruckskraft der SängerInnen unglaublich viel rüber - in Summe vor allem viel Herzschmerz. Da es unser erstes Fado-Konzert war, hab ich nicht wirklich viel Vergleich, aber bei und lief es so ab: Insgesamt traten fünf Fado-SängerInnen auf und gaben dabei durchschnittlich fünf Lieder zum besten. Begleitet wurden sie von mindestens zwei, meist drei Gitarren (eine birnenförmige portugiesische und zwei klassische). Zwischendrin gab es rund 15-minütige Pausen zum Essen und Reden - denn das war während der Auftritte eher verpönt. Wenn ihr mal reinhören wollt - ich habe euch zwei Links von Aldina Duarte und Duarte meinen beiden Lieblingssängern von diesem Abend - rausgesucht.

5) Puddingtörtchen in Belém: Für Naschkatzen ein wahrer Traum! Die besten "Pastéis de nata" gibt's in Belém, einem etwas außerhalb gelegenen Stadtteil von Lissabon, den man mit der Straßenbahn 15 problemlos erreicht. Das haben wir gleich noch mit einem kleinen Spaziergang verbunden, vorbei am pompösen Kloster und am Meer entlang bis zum Torre, einem mittelalterlichen Türmchen direkt am Ufer. So sind auch einige Puddingtörtchen-Kalorien gleich wieder abtrainiert ;-)

6) Ausflug in die magischen Gärten von Sintra: Nachdem ich Tobi gestern nur schweren Herzens wieder am Flughafen verabschiedet habe, habe ich mich auf meinen Halbtages-Ausflug nach Sintra gemacht. Dort hat mich die Quinta da Regaleira regelrecht in ihren Bann gezogen. Das ist ein herrliches Anwesen mit einer Art Märchenschloss (im neomanuelinischen Baustil) - das wahre Highlight ist aber der riesige Garten mit vielen kleinen Fußwegen. Die schlängeln sich zum Teil über Stock und Stein, durch dunkle Höhlen, vorbei an dichten Sträuchern, moosbewachsenen Bäumen und Skulpturen. Besonders beeindruckt hat mich der rund 30m tiefe Brunnen, den man hinauf- oder auch hinabsteigen kann. Er steht symbolisch für die Hölle am tiefsten, dunkelsten Punkt und umgekehrt für den Himmel ganz oben am Tageslicht. Ich habe mich für den Aufstieg entschieden :-)

Urlaubszeit adé, jetzt wird wieder mit angepackt

Alles in allem eine wirklich geniale Zeit, die besonders in den letzten Tagen viel zu schnell rum ging. Jetzt heißt es ab morgen wieder: "Schaffe, schaffe - Farm betreuen!" Ich bin gespannt auf Loli und José, meine Gasteltern bis Ende November. Vom bisherigen E-Mail- bzw. WhatsApp-Kontakt hören sie sich bislang sehr nett an. Loli hat sich für mich auch extra schon im Vorfeld erkundet, wann die Busse von Cáceres ins 1,5 Stunden nördlich gelegene Hoyos fahren - denn ein Auto haben die beiden leider nicht, um mich irgendwo abzuholen. Dafür holen mich wohl an der Busstation in Hoyos ab. Ich bin gespannt und lasse mich einfach überraschen, was mich dort so erwartet :-)

Dienstag, 4. November 2014

Grüßle vom Ende der Welt

Tobi und ich waren am Ende! Zumindest am westlichsten Ende Europas. Das sogenannte Cabo Fisterra, auch Finisterre genannt, wird hier in Galizien nämlich groß als das "Ende der Welt" gefeiert. Auch wenn das streng genommen gar nicht wirklich stimmt, weil einige Kilometer weiter nördlich eine Bucht noch etwas weiter in den Atlantik ragt ;-) Aber sei's drum, wir haben uns trotzdem sehr gefreut, einmal dort gewesen zu sein, wo viele Pilger ihren Jakobsweg endgültig abschließen. Neben herrlichen Ausblicken auf die Weite des Atlantiks und einen kleinen Rundgang um den Leuchtturm, gibt es allerdings auch nicht ganz so idyllische Eindrücke: So finden sich mehrere verkohlte Stellen zwischen den Meeresfelsen mit verschmorten Überresten von Wanderrucksäcken. Fand ich für meinen Geschmack einen ziemlich traurigen Anblick, aber ich konnte auch noch nie verstehen, wie manche Leute am Ende eines Musikfestivals ihr Zelt einfach so in Brand setzen...

Spätsommer-Feeling in Asturien

Was ist sonst noch so passiert? Immerhin ist schon wieder fast eine Woche seit meinem letzten Blogbeitrag ins Land gezogen. Nun, Spaniens Spätsommer hat sich während unseres Aufenthalts in Gijon nochmals von seiner schönsten Seite gezeigt. Statt Postkarten haben wir deshalb ein paar Sonnenstrahlen in Richtung Heimat geschickt und wie ich gehört habe, sind die auch bei euch angekommen :-)

Wir haben das schöne Wetter genutzt, um Gijon mit unseren Leihfahrrädern zu erkunden. Dabei wurde mir ein besonders hübsches Exemplar in meiner Lieblingsfarbe quietschrosa zugeteilt. Zwar ohne Gangschaltung und mit kaputter Klingel, dafür hat mein Gepäckträger aber so laut gescheppert, dass ich eh nicht zu überhören war ;-) Damit sind wir dann die Standpromenade entlang geradelt, haben irgendwann angehalten und sind dann noch eine Weile barfuß am Meer entlang gelaufen. Auch wenn der Atlantik schon relativ frisch war - es war einfach ein schönes Gefühl, Ende Oktober noch einen Hauch von Strand-Feeling genießen zu dürfen.

Ein Hoch auf Spaniens Öffis

In meinem letzten Beitrag ist es ja schon kurz angeklungen - reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist in Spanien nicht nur vergleichsweise günstig, sondern auch total unkompliziert und bequem. Und das sowohl mit der Bahn und dem Fernbus als auch mit den lokalen und regionalen Bussen. So sind wir am Freitagmorgen vor unserer Weiterreise nach A Coruña noch mit dem Bus ins 25 km nördlich gelegene Fischerdorf Luanco getingelt und konnten auch ohne Mietwagen noch das ländliche Flair der Region und sagenhafte Ausblicke auf die Küstenlandschaft auskosten. Aber selbst auf den längeren Fahrten im ALSA-Reisebus (das ist die zentrale Busfahrt-Gesellschaft in Spanien) wird es nicht langweilig. Die modernen Reisebusse bieten meist Unterhaltungsprogramm (Filme oder Musik), aber auch durch das Beobachten der vorbeiziehenden Landschaft, ein Nickerchen oder das Schreiben eines neuen Blogbeitrags vergeht die Zeit wie im Flug.

Großes Herz für verpeilte Reisende

Ein dickes Plus gibt's auch noch für die Busfahrer. Zumindest haben wir am Sonntagmorgen in A Coruña ein besonders nettes Exemplar erwischt. Denn als Tobi und ich noch etwas verschlafen an der vermeintlichen Bushaltestelle standen und unser gewünschter Bus zum Bahnhof einfach an uns vorbeirauschte, hielt gleichzeitig ein anderer Busfahrer für uns an. Hektisch fuchtelnd forderte er uns zum Einsteigen auf, denn der Platz an dem wir standen war wohl gar keine Haltestelle und er fuhr auch nicht zum Bahnhof, sondern zum Flughafen. Aber noch blieben einige Haltestellen gemeinsame Wegstrecke und unser hoch motivierter Busfahrer startete eine wilde Verfolgungsjagd durch die Innenstadt mit überhöhter Geschwindigkeit, wildem Hupen und Lichtsignalen, um unseren eigentlichen Bus an der nächstmöglichen Haltestelle zum Warten zu bewegen. Und tatsächlich - es hat geklappt und wir haben unseren Anschlussbus nach Finisterre noch überpünktlich erreicht :-)

A Coruña mit Insidertipps

Bei unserer Ankunft in A Coruña wurden wir zunächst von einem alten Bekannten aus Galizien begrüßt: vom Regen. Denn diese Region Spaniens ist wohl auch die regenreichste, weshalb man Galiziern auch nachsagt, dass sie bereits mit einem Regenschirm unter dem Arm auf die Welt kommen.

Doch schon am nächsten Morgen war es wieder besser und wir haben uns mit Maruxa (galizisch für "Maria") zum Frühstücken getroffen. Maruxa selbst wohnt in A Coruña; der Kontakt kam über meine Freundin Rabea zustande (danke nochmals an der Stelle!), die im Sommer zwei Wochen als Aupair bei Maruxa und ihrer kleinen Familie verbracht hat. Da Maruxa durch ihr Auslandssemester in Bayern sehr gut deutsch spricht (was ziemlich ungewöhnlich für Spanier ist, die meist auch kaum englisch sprechen), war die Konversion zu dritt sehr einfach und total spannend! Denn Maruxa hat uns nicht nur wertvolle Sightseeing- und Restaurant-Tipps gegeben - von ihr haben wir beispielsweise auch mehr über die Eigenheiten des Gallego (der galizischen Sprache, die dem Portugiesischen sehr ähnelt), der herausfordernden Situation für Mütter und Familien im Allgemeinen und einen Einblick in die politische Lage erhalten.

Ihre Tipps haben wir uns dann am Nachmittag zu Herzen genommen und unter anderem einen ausgedehnten
Spaziergang zum über 2000 Jahre alten Leuchtturm, dem Torre de Heruculés, unternommen. Und abends waren wir noch lecker Fisch essen, zusammen mit Jito und seiner Freundin Luz, mit dem ich auch im April ein paar Tage gemeinsam gepilgert bin. Ein wirklich schöner, aber auch herausfordernder Abend, weil ich unsere Unterhaltung für Tobi ins Deutsche und umgekehrt wieder für Jito und Luz ins Spanische übersetzt habe. Auf jeden Fall eine gute Übung :-)

Schleusen auf in Santiago de Compostela

Im Anschluss an unseren Tagesausflug zum Cabo Fisterra ging's dann am Sonntagabend direkt weiter nach Santiago de Compostela - natürlich wie immer mit dem Bus :-) Hier hatten wir eine total schöne Unterkunft in der Innenstadt gebucht und uns angesichts des Dauer-Platzregens am nächsten Morgen spontan dazu entschieden, nochmals eine weitere Nacht dranzuhängen und einen gemütlichen Chiller-Tag in Santiago einzulegen. So hatten wir auch noch Gelegenheit, uns mit Carmen (die Freundin von Eusebia, die ich im April bei meiner Durchreise durch Santander kennengelernt habe) auf einen Tee in der Innenstadt zu treffen. Mit einigen Erkenntnissen (z.B. dass es in Santiago de Compostela an rund 165 Tagen im Jahr regnet und wir daher nicht wirklich Pech hatten) und Sightseeing-Tipps haben wir noch ein bisschen die Stadt erkundet und so unter anderem auch in der berühmten Pilger-Kathedrale kurz vorbeigeschaut. Mein persönliches Highlight an dem Gebäude war jedoch der "Pilgerschatten", dem wir nach dem Abendessen noch einen kleinen Besuch abgestattet haben: Denn an einer Seite der Kirchenmauer steht eine kleine, unscheinbare Säule, die allerdings bei Nacht im Schein der nahestehenden Straßenlaterne einen Schatten an die Fassade wirft, die einem Pilger mit Stock und Hut verblüffend ähnlich sieht!

Hasta luego, España!

Jetzt heißt es für uns aber erst mal Abschied nehmen von Spanien, unser nächster Halt ist heute Nachmittag Porto und morgen oder übermorgen dann Lissabon. Von dort aus geht es dann für Tobi am Sonntag wieder zurück nach Stuttgart und für mich nach Extremadura. Dort helfe ich einem älteren spanischen Ehepaar bis Ende November bei der Garten- und Feldarbeit. Mehr Details erfahrt ihr dann, wenn ich dort bin.

Jetzt genieße ich aber erst mal noch die verbleibenden Tage mit Tobi und freue mich darauf, Portugal näher kennen zu lernen. Hier war ich im Vergleich zu Spanien nämlich noch nie :-)