Donnerstag, 27. November 2014

Heiß auf den Dicken

Mich hat das Fieber gepackt. Und zwar das Weihnachtslotterie-Fieber, das schon wieder seit einiger Zeit hier in Spanien grassiert. Bei den zahlreichen Verkaufsstellen ist eine "Infektion" quasi unausweichlich: Von der Stammkneipe, über die Poststelle bis hin zur örtlichen Kirche - überall gibt es die Papierlose mit den fünfstelligen Zahlenkombinationen zu kaufen. Ich habe mal gelesen, dass wohl 97% der Spanier bei der Weihnachtslotterie mitmachen, das hat mich doch neugierig gemacht. Daher habe ich Maria neulich beim Abendessen angesprochen, was es mit dem Hype auf sich hat. Sie ist zwar bisher strenge Weihnachtslotterie-Verweigerin, hat mich aber trotzdem sehr gerne aufgeklärt.

Wissenswertes über die Weihnachtslotterie

Die fünf interessantesten Fakten fasse ich euch mal auf einen Blick zusammen:
  • Die sogenannte "Sorteo de Navidad" ist die weltweit größte Lotterie - gemessen am auszuspielenden Gesamtgewinn.
  • Ein ganzes Los zu kaufen ist ziemlich teuer - das kostet rund 200 Euro. Daher erwerben die meisten Spanier ein Zehntellos (Décimos) à 20 Euro.
  • Am begehrtesten ist der Hauptpreis, auch "El Gordo" (der Dicke) genannt, der 4 Mio. Euro wert ist.
  • Die Ziehung findet immer am Vormittag des 22.12. statt. Dann sitzt ganz Spanien knapp vier Stunden gebannt vor dem Fernseher oder dem Radio - so lange dauert es bis alle rund 1.800 Preise öffentlich ausgelost sind.
  • Das Witzigste: Die Losnummern und die Gewinnsumme werden nicht einfach nur vorgelesen, sondern von zwei Kindern gesungen. 
Ich habe mir jedenfalls in Josés Stammkneipe ein Zehntellos gekauft und mit meinem Lotterie-Fieber letzten Endes dann sogar noch Maria und ihren Bruder angesteckt, die sich gemeinsam ein Zehntellos teilen. Abends haben wir uns zum Spaß auch gleich ausgemalt, was wir mit "dem Dicken" alles anstellen würden... Maria würde ihre Sachen packen und zu einer Weltreise aufbrechen, José würde gerne ein eigenes Gesundheitszentrum für alternative Medizin auf seinem Grundstück errichten und ich hab den beiden damit "gedroht" die zum Verkauf stehende Finca auf dem Nachbargrundstück samt zwölfköpfiger Schafherde zu erwerben ;-)

So bringt man mich auf die Palme

Was ist sonst noch so in meiner Zeit auf der Finca passiert? Nun, der "Dschungel" hat sich gelichtet, wir haben sämtliche Oliven- und Korkbäume zurückgeschnitten, den alten Hühnerstall abgebaut, Zäune von Gestrüpp befreit, das Unkraut im Gemüsegarten gejätet (uff, ist das anstrengend!) und die Palmen gestutzt. Das hat mir besonders gefallen: Wie ein Äffchen am Baum zu hängen und die Palme wie eine Banane zu schälen, das heißt nach und nach die alten Palmblätter auszuzupfen. Da dabei ziemlich viel Dreck aus den Blättern auf einen runter rieselt, hat mir José noch eine super stylische gelbe Brille verpasst, wie ihr unten auf einem der Fotos sehen könnt.

Exkursion nach Acebo und "Back to the roots" 

Neben der Arbeit haben die beiden auch versucht, mir noch ein bisschen was von der Umgebung zu zeigen - soweit das ohne Auto eben möglich ist. So hat José beispielsweise mit mir das Nachbarstädtchen Acebo zu Fuß erkundet, das ich ziemlich idyllisch fand. Ein Dorf, das noch etwas höher als Hoyos liegt, umgeben von der Sierra de Gata, ein charmantes jüdisches Viertel mit alten kleinen Gassen und Ziegenherden, die am Ortsrand grasen.

Letzten Sonntag sind wir dann noch mit ein paar Bekannten aus Hoyos nach "Gata" (was übrigens auf Spanisch Katze heißt :-)) gefahren. Von dort aus sind wir die letzten vier Kilometer in die Berge gewandert, wo sich das riesige Grundstück eines befreundeten jungen Ehepaars  (Juan und Paz) befindet, die ebenfalls mit freiwilligen Helfern arbeiten, die sie über die Internetplattform "Work away" finden. Das Witzige ist: Mit genau diesem Ehepaar stand ich ebenfalls in Kontakt, um bei ihnen in den Bergen mitzuhelfen. Da Maria und José sich aber schneller gemeldet haben, habe ich mich für die beiden entschieden. Und bin sehr froh über meine Entscheidung!

Denn auch wenn es wirklich interessant war, mal zu sehen wie und wo andere Freiwillige arbeiten bzw. wo es mich beinahe hinverschlagen hätte. Ich glaube insgesamt wäre mir das doch zu krass gewesen. Neben der - für Mädels sehr schweren - körperlichen Arbeit, haben mich auch ehrlich gesagt die hygienischen Rahmenbedingungen eher abgeschreckt. So haben Juan und Paz durch die zahlreichen Bergquellen zwar jede Menge frisches, fließendes Wasser. Aber ein richtiges Klo, eine Dusche oder eine Waschmaschine gibt es mitten in den Bergen natürlich nicht. Dafür ein Plumpsklo und eine Badewanne im Freien (!), unter der man ein Feuer machen kann, um sich sobald das Wasser warm genug ist, zu baden - und anschließend gleich noch die Kleidung von Hand darin zu waschen. Eine der Freiwilligen hat mir erklärt, dass sie nur ca. einmal pro Woche richtig badet, auch weil es echt umständlich ist! Bis sie Holz gesammelt, das Feuer entzündet und das Wasser die richtige Temperatur hat, vergehen fast zwei Stunden. Und dann muss man natürlich noch aufpassen, das man sich den Po beim Baden nicht verbrennt ;-) Ich glaube die beiden Freiwilligen waren fast ein bisschen neidisch, als ich ihnen von meinem Leben bei Maria und José erzählt habe. Und dabei dachte ich, dass wir schon etwas ursprünglicher leben...

Ich packe wieder meinen Rucksack und nehme mit...

Es ist wieder soweit - ich ziehe weiter! Und gerade weil ich im idyllischen Hoyos definitiv einen sehr entschleunigten Lebensrhythmus hatte, bin ich sehr erstaunt, wie schnell die zwei Wochen verflogen sind! Echt rührend fand ich, dass die beiden gestern Abend noch ein schönes Abschiedessen organisiert haben. Auch Marias Bruder Carlos und seine Freundin kamen zu Besuch. Und zur Feier des Tages gab es neben Tortilla, Hühnchen und Birnen-Apfel-Kompott sogar Wein - der war im Gegensatz zu Güemes bei Maria und José nämlich nicht an der Tagesordnung.

Was nehme ich aus diesem Aufenthalt auf der Finca Santa Caralina mit - abgesehen von leckerem Olivenöl und Oliven? Auf jeden Fall einen immens erweiterten Wortschatz, der dank Maria sogar noch von typisch spanischen "Tacos" (Schimpfwörtern) gespickt ist. Die konnte ich vor allem dann fleißig notieren, wenn sie mal wieder beim Schach oder beim Würfelspiel "Mentiroso" (quasi die spanische Version von Mäxle) verloren hat :-)

Überhaupt das Alltagsleben von Spaniern mitzuleben und zu erfahren, was die Menschen bewegt (z.B. die vielen Korruptionsvorfälle in der Politik), sich über Gewohnheiten und Bräuche auszutauschen und einfach Teil einer Familie zu sein - all das war sehr wertvoll für mich und ich bin sehr dankbar für diese einmalige Erfahrung! Von José habe ich noch einige tolle Atem- und Dehnübungen im Gepäck und von Maria habe ich leckere und zugleich einfache Rezepte abgeschaut (z.B. "falsche Tortilla"). Ach ja und meine Knoblauch-Unverträglichkeit hat sich mittlerweile übrigens auch gelegt ;-)


Vom Paradies in den Großstadt-Dschungel

So geht es vom paradiesischen Urwald auf der Finca nun weiter in den Großstadt-Dschungel. Sevilla heißt mein nächster Halt auf meiner Reise. Hier verbringe ich das Wochenende, bevor es dann am Montag auf zu meiner letzten Station nach Estepona vor Weihnachten geht. Dort unterstütze ich Cleo, eine deutsche Auswanderin, die sich für die Straßenkatzen einsetzt. Mehr dazu aber nächste Woche. Jetzt freue ich mich erst mal total auf Sevilla, wo ich voraussichtlich ein starkes Kontrastprogramm zu Hoyos genießen werde :-) Und besonders freue ich mich auf eine lange heiße Dusche, ohne Angst zu haben, dass die anderen nach mir kein warmes Wasser mehr haben ;-)

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