Samstag, 15. November 2014

Erntehelferin im Paradies

Umgeben von viel Natur fühle ich mich hier wie im Paradies. Schon auf meiner rund zweistündigen Busfahrt von Cáceres nach Hoyos habe ich die endlose Weite und die grüne Landschaft Extremaduras genossen. Diese Region ist der mit Abstand am dünnesten besiedelte Teil Spaniens mit nur rund einer Million Einwohnern auf über 40.000 km². Somit steppt hier also nicht wirklich der Bär - aber nach über zwei Wochen Herumreisen freue ich mich jetzt auch über etwas mehr Ruhe, Arbeiten an der frischen Luft und Familienanschluss.

Meine temporäre Familie besteht aus Loli (die von mir aber lieber bei ihrem eigentlichen Namen Maria genannt werden möchte) und José sowie einem Hund und vier Katzen. Die beiden sind ziemlich witzig, sehr herzlich und interessante Persönlichkeiten. Ursprünglich aus Nordspanien stammend, haben sie sich vor 15 Jahren eine rund 1 Hektar große Finca nahe des Dörfchens Hoyos gekauft. Hier leben sie jetzt ein sehr ruhiges, aber glückliches Leben. Für mich ist ihr Lebensstil eine neue, aber sehr bereichernde Erfahrung, denn die beiden leben relativ autark und alternativ.

Autarker Lebensstil umgeben von Natur

So haben die beiden beispielsweise eine kleine Photovoltaik-Anlage in ihrem Garten installiert und leben ausschließlich von der Solarenergie. Natürlich sitzen wir an Tagen, an denen die Sonne nicht gescheint hat, deshalb nicht im Dunkeln - es gibt immer noch notfalls einen benzinbetriebenen Generator, der für die Energiezufuhr sorgt. Aber soweit es geht, wird versucht, mit der durch Sonnenlicht gewonnenen Energie auszukommen.So ist Musikhören oder Fernsehschauen keine Nebenbei-Beschäftigung, sondern etwas Besonderes und wir genießen diese Momente mit besonderer Aufmerksamkeit.

Zudem leben die beiden viel von ihrem eigenen Gemüse- und Obstgarten, außerdem gibt es reichlich frisches Wasser aus einer unterirdischen Quelle. Und was mir besonders gut gefällt: Geheizt wird mit Kaminöfen, die eben diese besondere Wärme ausstrahlen, die ich so liebe. Das ist am Abend aber auch nötig. Denn in Extremadura ist auch schon etwas kühler - wir liegen aber auch in den Sierra de Gata und damit auf fast 600 Höhenmetern. Auch in dem kleinen Steinhäuschen, in dem ich schlafe, gibt es einen eigenen kleinen Ofen, der ordentlich einheizt. Die Wärme aus dem Ofen sorgt übrigens gleichzeitig für warmes Wasser im Haus.

Arbeiten mit einem frischen Wind um die Nase 

Vielleicht fragt ihr euch, wie mein Tagesablauf hier auf der Finca "Santa Catalina" aussieht. Das habe ich die beiden am ersten Tag auch gefragt und sie haben sich sehr über meine typisch deutsche, strukturierte Herangehensweise amüsiert :-) Nun ja, trotzdem hat es sich mittlerweile so eingependelt, dass wir uns gegen 9 Uhr in der Küche treffen und erst mal gemütlich Frühstücken. Gestern haben wir vor dem Frühstück auch noch eine kleine Yoga-Morgeneinheit eingelegt, das praktizieren die beiden nämlich schon seit vielen Jahren. Und ich hab mich gefreut, teilhaben zu dürfen. Vor allem weil ich gemerkt habe, dass ich ohne meine eigene wöchentliche Yogastunde doch mittlerweile etwas eingerostet bin - vor allem im Vergleich zu den beiden ;-)

Nach dem Frühstück steht dann die Gartenarbeit auf dem Programm. So habe ich beispielsweise bei der Olivenernte mitgeholfen, den Gemüsegarten winterfest gemacht oder beim Zurückschneiden sämtlicher Bäume im Garten unterstützt. Und ich genieße das Arbeiten an der frischen Luft wirklich in vollen Zügen - und lerne jede Menge dazu!

Nachhilfe in Sachen Oliven-Kunde

Vor allem die Sache mit der Olivenernte fand ich echt spannend. Ich weiß nicht, wie es um eure Oliven-Kenntnisse bestellt ist, aber meine haben sich peinlicherweise bisher lediglich darauf beschränkt, dass ich weiß, in welchem Regal sie im Supermarkt stehen ;-) So habe ich mittlerweile gelernt, dass die grünen Oliven (die ich am liebsten mag) eigentlich noch unreif sind und erst wenn diese sich schwarz gefärbt haben, richtig reif und mild und damit vor allem für die Herstellung von Olivenöl geeignet sind. Maria hat mich bei unserer kleinen Olivenkunde mal von einer grünen und einer schwarzen Olive direkt vom Baum kosten lassen und ich muss sagen... "Bäh!". Zwar haben die schwarzen Oliven deutlich weniger Bitterstoffe als die grünen, aber was die Oliven erst richtig genießbar macht, ist die Behandlung mit Wasser, Salz, Knoblauch und verschiedenene Gewürzen im Anschluss an die Ernte.

Da sie nur für ihren Eigenbedarf ernten, wenden Maria und José natürlich nicht die industriellen Verfahren an. Bei ihnen verläuft alles gemütlicher - und schonender. Das fängt schon damit an, dass die Oliven von Hand gepflückt und nicht beispielsweise Rüttelmaschinen eingesetzt werden, die die Oliven in Massen zu Boden fallen lassen. Bei uns gilt also "Klasse statt Masse" - so haben wir beispielsweise gerade bei den schwarzen Oliven darauf geachtet, dass möglichst die größten und richtig dunklen pflücken, die nicht durch den Regen aufgeplatzt sind oder Würmer enthalten.

Nach der Ernte haben wir die schwarzen Oliven angeschnitten und in einen großen Krug mit frischem Quellwasser eingelegt, das alle 3-4 Tage erneuert wird. So wird den Oliven nach und nach der bittere Geschmack entzogen. Im Anschluss werden noch Gewürze hinzugefügt und nach rund einem Monat sind diese verzehrbar. Im Gegensatz zu den grünen Oliven - hier vergeht bis zu ein Jahr, bis sie genießbar sind. Normalerweise lassen die beiden aus den schwarzen Oliven auch Olivenöl herstellen - aber da die Bäume nur alle zwei Jahre richtig viele Oliven tragen, fällt die Olivenöl-Herstellung dieses Jahr leider aus. Letztes Jahr haben die beiden aus ihren über 30 Bäumen aber insgesamt rund 80 Liter Olivenöl gewonnen.

Siesta zwischendurch und gemütliche Abendaktivitäten

Im Anschluss an die Gartenarbeit steht meist nochmals eine kleine Yoga-Einheit auf dem Programm, um die Muskulatur nach der Arbeit etwas zu Dehnen. Dann gibt's gegen 14.30 Uhr Mittagessen und anschließend ist erst mal Siesta angesagt, in der jeder tut, was er möchte. Ich mache gern ein Nickerchen, lese ein Buch oder unterhalte mich ein bisschen mit den beiden. Das genieße ich hier nämlich auch sehr - ausschließlich Spanisch zu sprechen und noch mehr über die Kultur und die Gewohnheiten zu erfahren. Umgekehrt ist Maria auch immer sehr interessiert, wie das bei uns in Deutschland so abläuft. Gegen Abend gehen wir manchmal spazieren, bekommen Besuch, machen einen kleinen Ausflug ins Dörfchen oder diese Woche habe ich Maria beispielsweise auch zu ihrem Kinderchor begleitet und spanischen Weihnachtsliedern gelauscht :-)

Darüber hinaus gehe ich Maria gerne beim Kochen zur Hand und bin zudem dabei, von José das Schachspielen zu lernen - das machen wir meist gegen Abend. Manchmal schauen wir auch noch einen Film, lesen ein Buch oder sitzen einfach gemütlich vor dem Kamin und unterhalten uns.

Arbeiten und Ausflüge im Einklang mit dem Wetter

Wenn das Wetter mal tagsüber nicht so gut ist, ist Gartenarbeit übrigens keine Pflicht. So haben wir die sinnflutartigen Regenfälle (die in Extremadura wohl keine Seltenheit sind) diesen Donnerstag beispielsweise für ein bisschen Hausarbeit und insgesamt einen sehr gemütlichen Tag genutzt. Auch heute hat es immer wieder genieselt, so dass wir spontan entschlossen haben, die beiden Fincas von Marias Geschwistern in der näheren Umgebung in Verbindung mit einem längeren Spaziergang zu erkunden (die beiden haben auch kein Auto). Ich habe diesen Ausflug wirklich sehr genossen: So habe ich nicht nur die erweiterte Familie kennengelernt, sondern konnte mich auch noch an der knuffigen Eselin "Flor" und den zutraulichen Schafen auf dem Anwesen von Marias Schwester erfreuen :-)

Ihr seht, auch wenn das Leben hier etwas ursprünglicher ist, fehlt es mir an nichts - im Gegenteil: Ich finde es auch mal schön zu erfahren, wie "einfach" es sich glücklich leben lässt. Und ich glaube, dass ich die Dinge, die ich zuhause ganz selbstverständlich jeden Tag nutze (z.B. Strom, warmes Wasser, CD-Player...) zukünftig mehr schätzen werde.

2 Kommentare:

  1. Wunderschön, liebste Aline, gern wär ich jetzt genau dort!! Ist vooooooll mein Ding, so in Einfachheit, im Einklang mit der Natur.... ich glaub, ich würde mich da extrem wohlfühlen :D Wobei ich nicht GANZ so sicher bin, ob der Stadtmensch in mir da nicht nur eine sehr romantische Vorstellung hat und dann tatsächlich eher kläglichst vereinsamen würde, aber ich glaub ehrlich gesagt nicht! Ich glaub, hätte ich so nen José, wär ich so ne Maria :D

    Genieß die Ruhe und Einfachheit und die Natur, wahrscheinlich wirst Du immer wieder aus der Erinnerung Kraft schöpfen, wenn Du in Deutschland den ein oder anderen schwierigen Moment hast!

    Weiterhin alles Gute und danke für die Berichte und schönen Bilder :D

    Sylvia

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  2. q viva espana y la vida!!!

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