Donnerstag, 16. Oktober 2014

Teil einer großen Familie

Ich fühle mich wirklich geborgen. Obwohl ich gerade mal den zweiten Tag hier in der Pilger-Herberge in Güemes bin, kommt es mir so vor als ob ich schon lange ein Teil dieser kleinen Gemeinschaft an freiwilligen Helfern wäre.
Alles hat schon damit angefangen, dass mich ein freudig durch einige Zahnlücken strahlender Opi namens "Villar" am Busbahnhof in Santander empfangen hat - und dass obwohl mein Bus fast zehn Minuten zu früh dran war. Zusammen mit drei anderen Rentnern, die jeden Dienstag im Alltagsleben der Herberge mithelfen, fuhren wir direkt mit dem Auto ins 20 km entfernte Dörfchen Güemes.

Total idyllisch auf einer Anhöhe zwischen lauter Weiden und Wäldern liegt sie dann, die wohl bekannteste und beliebteste Pilger-Herberge des nördlichen Jakobswegs - "La Cabana del Abuelo Peuto". Hier hat Pater Ernesto das 140 Jahre alte Wohnhaus seiner Großeltern 1999 in eine Herberge verwandelt und zudem neu angebaut, so dass hier bis zu 70 Pilger Unterschlupf finden. Wer hier übernachtet, muss keinen festen Preis bezahlen, sondern alles läuft nach dem Prinzip: Jeder gibt, was er kann und will - in Form einer anonymen Spende. Zum Service der Herberge gehören ein bequemes Bett, sehr saubere Toiletten und Duschen, ein 3-gängiges Abendessen samt Wasser und Wein sowie ein kleines Frühstück am Morgen. Wer schon vor 14 Uhr ankommt, ist sogar noch herzlich zum Mittagessen eingeladen. Ich glaube, man muss einfach selbst einmal hier gewesen sein, um diese besondere Atmosphäre zu spüren: Schon bei der Ankunft fühlt man sich als Teil einer großen Familie.

Und dieses Gefühl hatte ich auch gleich wieder bei meiner Ankunft am Dienstagmorgen. Ich wurde sofort freundlich von Pater Ernesto und den anderen freiwilligen Helfern begrüßt (die sich zum Teil sogar noch an mich von meinem Aufenthalt im April erinnern konnten) und zu meinem kleinen Häuschen gebracht. Hier wohne ich zusammen mit Katherine - einer freiwilligen Helferin aus San Francisco (meiner Lieblingsstadt!!!). Wir nennen unser Zuhause "Casita Espanola", weil wir den Deal geschlossen haben, dass wir im Zimmer selbst nur Spanisch miteinander sprechen - was vor allem morgens beim Aufwachen ganz schön herausfordernd ist ;-) Aber wir befinden uns beide etwa auf dem gleichen Sprachlevel und wollen unsere Spanischkenntnisse unbedingt ausbauen. Wobei ich mich wirklich glücklich schätze, denn wenn ich nicht gerade Spanisch spreche, unterhalte ich mich mit Katherine und der anderen freiwilligen Helferin Rozanne aus Australien auf Englisch - und bleibe so ebenfalls am Ball - que bien :-) 

Wie könnt ihr euch jetzt aber meinen Alltag vorstellen? Ich stehe morgens kurz vor 8 Uhr auf und schaue, ob es in der Küche noch was beim Frühstück zu tun gibt bzw, helfe beim Servieren und frühstücke anschließend selbst mit den anderen Freiwilligen. Sobald alle Pilger gegen 9 Uhr die Herberge verlassen haben, geht es ans Sauber machen: Von den Bädern über die Küche und den Speisesaal bis hin zu den Unterkünften wird alles täglich sehr gründlich gereinigt. Auch wenn es vielleicht seltsam klingt, aber das Putzen im Team macht Spaß, ist abwechslungsreich (wir wechseln die Aufgaben durch) und wir singen und lachen dabei viel, so dass die Zeit wie im Flug vergeht. Das Beste im Anschluss ist die genussvolle Dusche in unseren frisch geputzten Bädern :-) Wenn wir damit fertig sind ist es meistens ungefähr 12 Uhr. Je nachdem ob es noch was in der Küche zu tun gibt, schnippeln wir noch Gemüse oder haben noch ein bisschen Freizeit bis es pünktlich um 14 Uhr Mittagessen gibt. 

Anschließend wechseln wir uns mit der Rezeption ab, die immer besetzt sein sollte, falls neue Pilger eintrudeln. Falls dass der Fall ist, heißen wir sie erst mal mit einem Glas Wasser willkommen und führen etwas Smalltalk, nehmen dann ihre Daten auf und stempeln den Pilgerpass und anschließend machen wir mit ihnen eine kleine Führung durch die Anlage, erklären die Abläufe und teilen ihnen ein Zimmer zu. Bevor das Abendessen startet gibt Pater Ernesto immer um 19.30 Uhr eine kleine Einführung für alle anwesenden Pilger und erzählt ein bisschen über die Geschichte und den Leitgedanken der Herberge. Je nachdem woher die Pilger kommen und welche Sprache sie sprechen, übersetzt immer noch einer der Freiwilligen oder Pilger in die jeweilige Sprache, weil Pater Ernesto fast ausschließlich Spanisch spricht. Gestern kam eine rund 30-köpfige Jugendgruppe samt Betreuer aus Deutschland hier an. Da ich die einzige deutschsprachige Freiwillige bin, wurde ich mit der Betreuung der Gruppe und der deutschen übersetzung des rund einstündigen Vortrags von Ernesto betraut. Das hat erstaunlicherweise echt gut geklappt und ich bin im Anschluss von allen sehr gelobt wurden, was mich wirklich gefreut hat :-) 

So, jetzt geht's für mich gleich wieder zum Mittagessen - wie ihr seht, bin ich wirklich gut aufgehoben. Für alle, die etwas Spanisch verstehen, habe ich hier noch ein Video eingebunden - unsere Herberge kam nämlich heute Morgen im spanischen Fernsehen in einer Reportage. Falls ihr also mal reinschauen wollt, um einen noch lebendigeren Eindruck zu bekommen - viel Spaß damit!



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